Full text: Badisches Verfassungsrecht.

230 III. Wahlrechtsgesetze. 
der §§ 52 bis 55 und 76 der Strafprozeßordnungs über das 
Recht zur Verweigerung des Zeugnisses oder des Gutachtens 
finden entsprechende Anwendung.“ 
1. Dieser Paragraph, der der seitherigen Uebung bei der Vor- 
nahme von Erhebungen über Wahlanfechtungen entspricht, entsprang 
einer Anregung der Kommission der zweiten Kammer, nachdem ein 
Antrag, die Entscheidung über beanstandete Wahlen einem besonders 
zu bestellenden richterlichen Kollegium zu übertragen, abgelehnt wor- 
den war, vol Bem 1 zu § 41 Verf. Er bezweckt, Zweifel über das 
bei Vornahme von Beweiserhebungen einzuhaltende Verfahren, die 
in der zweiten Kammer wiederholt, zuletzt gelegentlich der Verhand- 
lung über die Anfechtung der Wahl in der Stadt Konstanz vom Jahr 
1899 (Sitzung vom 18. Januar 1900) hervorgetreten waren, val 
die Abhandlung von Walz in der Verwgeitschr 1902, S 125 ff, und 
den Bericht der Geschäftsordnungskommission der zweiten Kammer, 
Landt 1899/1900, 4. Beil Heft, S 870, für die Zukunft zu beseitigen. 
2. Dies wurde bei der in Bem 1 erwähnten Verhandlung der zwei- 
ten Kammer auf dem Landtag 1899//00, allerdings unter lebhaftem 
Widerspruch des Ministers des Innern Dr. Eisen lohr, von einigen 
Rednern bestritten, welche dem Ministerium nur die Stellung einer 
ersuchten Instanz zuerkennen wollten, die als solche hinsichtlich des 
Beweisthemas und der Beweismittel an den Beschluß der Kammer 
gebunden sei; vgl Walz, Verwzeitschr 1902, S 125. 
3. Eine Vernehmung von Wählern darüber, wie sie gewählt 
haben, ist mit dem Grundsatz der geheimen Wahl unvereinbar und 
daher unzulässig. Vgol Min d Inn, 13. Januar 1887, Nr 470, 
Verwgeitschr 1887, S 34; Laband, Staatsrecht I. S 302, Anm 3; 
Seydel in Hirths Ann 1880 S 376/77 und Kommentar S 194, 
sowie Bem 5 zu § 33 Verf. 
4. Für die Verpflichtung der Zeugen zur Auskunftserteilung 
ist, da §& 50 und 69 St PO nicht ebenfalls für entsprechend anwend- 
bar erklärt wurden, nach dem Eingang des Abs 2 die VerfO vom 
31. August 1884 (Gu VBl S 385) maßgebend, die in § 1 Abs 2 
die Verwaltungsbehörden für befugt erklärt, Zeugen und Auskunfts- 
personen vorzuladen und im Fall der Weigerung nach § 31 PSt G 
gegen dieselben vorzuschreiten. Die Staatsverwaltungsbehörde kann 
hiernach die Erfüllung der Zeugnispflicht durch Androhung und Aus- 
spruch von Geldstrafen bis zu 50 Mark, und wenn dieser Weg nicht 
zum Ziel führt, gemäß § 30 Abs 3 PolSt G durch persönlichen 
Zwang herbeiführen. Ueber die fortdauernde Rechtsgültigkeit der an-
	        
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