Full text: Badisches Verfassungsrecht.

J. Geschichte der Verfassung. 17 
liche Erklärung, welche die Regierung in der Frage der Einführung 
direkter Wahlen auf dem Landtag 1893/94 abgab, wonach die Be- 
deutung des bestehenden Wahlverfahrens darin erblickt werde, „daß 
die Wahl der Abgeordneten in Wahlbezirken der Städte und Aemter 
durch gemeindeweise gewählte Wahlmänner einerseits ein lediglich 
auf der großen Zahl der Wahlberechtigten beruhendes Ueberwicgen 
einzelner Volkskreise abzuschwächen geeignet ist, andererseits einer Be- 
achtung der besonderen Interessen der einzelnen Gemeinden Raum 
schafft.“ Ausdrücklich wurde dabei erklärt, daß die Regierung an 
dem indirekten Wahlverfahren nicht unbedingt festhalte, viclmehr be- 
reit sei, sofern sich die Aussicht zu einer Verständigung mit beiden 
Kammern eröffnen sollte, der Prüfung der Frage näher zu treten, 
inwieweit unter Berücksichtigung der erwähnten Gesichtspunkte die 
bestehenden Bestimmungen über das Wahlverfahren einer Aenderung 
unterzogen werden können. 
Auf diese Erklärung wurde Bezug genommen, als infolge der er- 
wähnten Anträge der Abgeordneten Muser und Wacker auf dem 
Landtag 1895/96 die Frage der Einführung direkter Wahlen neuer- 
dings zur Verhandlung gelangte, wobei der oben angeführte Antrag 
Fieser als sich teilweise den Anschauungen der Regierung nähernd 
und Aussichten auf eine Verständigung in der Wahlreformfrage er- 
öffnend bezeichnet wurde. 
Auf dem Landtag 1897/98 wurde namens der Gesamtregierung 
von dem Präsidenten des Ministeriums des Innern, Geheimerat 
Dr. Eisenlohr, neuerdings erklärt, „daß die Regierung an dem 
indirekten Wahlverfahren nicht unbedingt festhalte, zum direkten Wahl- 
verfahren aber nur unter der Voraussetzung überzugehen vermöge, 
daß zu den kraft des allgemeinen gleichen Wahlrechts in geheimer 
direkter Wahl gewählten Mitgliedern der zweiten Kammer eine An- 
zahl durch Organe der Selbstverwaltung gewählter Abgeordneten trete.“ 
Nachdem auch die erste Kammer, wie oben cerwähnt, auf dem 
Landtag 1897/98 dem wiederholt kundgegebenen Wunsch der Mehr- 
heit der zweiten Kammer auf Einführung des direkten Wahlver- 
fahrens bei der Abgeordnetenwahl beigetreten war, und die Be- 
dingungen, von denen die Regierung ein Eingehen auf die bezüglichen 
Wünsche abhängig machen zu müssen glaubte, in der ersten Kammer 
bei der ganz überwiegenden Mehrheit, in der zweiten Kammer wenig- 
stens bei einer ansehnlichen Minderheit Zustimmung gefunden 
hatten, hielt die Regierung sich für verpflichtet, durch eine ein- 
gehendere Darlegung ihrer Vorschläge in Form einer Denkschrift 
auf dem Landtag 1899/00 den Versuch zu machen, zu einer Ver- 
ständigung über die seit Jahren erörterte Frage der Verfassungs- 
Glockner, Bad. Berfassungsrecht. 2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.