Full text: Badisches Verfassungsrecht.

I. Geschichte der Verfassung. 10 
auszugchen hätte, führt der von dem Geheimen Rat Dr. Georg 
Meyer verfaßte Kommissionsbericht aus, daß von dem verfassungs- 
mäßigen seitherigen Bestand der ersten Kammer nichts beseitigt 
werden solle, da hier historisch begründete Rechte in Frage kämen. 
Dagegen bedürfe die erste Kammer einer Ergänzung durch gcecignete 
Vertreter derjenigen Elemente, welche im Staatsleben von beson- 
derer Bedeutung seien, insbesondere des Großgrundbesitzes, der Groß- 
industrie und des Großhandels, sowie der großen Städte. Der Groß- 
grundbesitz besitze zwar in den Standes= und Grundherren schon 
ceinc Vertretung in der ersten Kammer; es sei aber zu prüfen, ob 
nicht neben dem grundherrlichen Adel noch ein Großgrundbesitzerstand 
von erheblicher Bedeutung im Lande vorhanden ist, oder ob etwa 
neben den Standes= und Grundherren als Repräsentanten des Groß- 
grundbesitzes Vertreter der Landwirtschaft in die erste Kammer zu 
berufen wären, da Standes= und Grundherren nicht immer und 
nicht notwendig selbst Landwirtschaft treiben. Eine Stellvertretung 
der Mitglieder der ersten Kammer könnc höchstens in der Weise zu- 
gelassen werden, daß die Standesherren ihren Nachfolger oder nächsten 
Agnaten damit betrauen. Weiter wurde eine Aenderung der Be- 
stimmung des § 28 Abs 3 der Verfassung über dic erbliche Land- 
siandschaft in dem Sinne angeregt, daß dieses Recht nicht mehr au 
die Verleihung einer Würde des hohen Adels geknüpft werde, und 
die Ernennung der vom Großherzog zu berufenden Mitglieder auf 
dic Dauer einer Wahlperiode von je vier Jahren als angemessen er- 
klärt. Außer diesen Aenderungen hinsichtlich der Zusammensetzung 
der ersten Kammer wurde aber auch eine solche hinsichtlich ihrer 
staatsrechtlichen Stellung, insbesondere eine Erweiterung ihres 
Budgetrechts von mehreren Seiten als wünschenswert bezcichnet. 
In der zweiten Kammer kamen diese Anregungen wegen des 
Schlusses des Landtages nicht mehr zur Erörterung. 
In der dem Landtag 1899/00 seitens der Regierung vorgelegten 
„Denkschrift, betr die Zusammensetzung der Ständeversammlung“ 
wurde nun in erster Reihe neuerdings die Bereitwilligkeit der Re- 
gierung erklärt, „entsprechend den in der zweiten Kammer geltend ge- 
machten Wünschen ihre Bedenken gegen den Ucbergang zur direkten 
Wahl zurücktreten zu lassen, allerdings nur unter der Voraussetzung, 
daß in anderer Weise jener Schutz gegen die mit dem allgemeinen direk- 
ten Wahlrecht verbundene Gefahr des Ueberwiegens der großen Masse 
geschaffen wird. Ein solcher Schutz würde nach der Ansicht der Re- 
gierung sich dadurch erzielen lassen, daß in die zweite Kammer neben 
den auf Grund des allgemeinen gleichen Stimmrechts in geheimer 
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