4. Oberrechnungskammer-Gesetz. Art 1. 311
Staatskassen zu kontrollieren und wahrgenommene Mängel in der
Verwaltung dem Finanzministerium und eventuell dem Staats-
ministerium zur Kenntnis zu bringen. Die in den 20er Jahren des
letzten Jahrhunderts eingetretenen mannigfaltigen Veränderungen in
der Organisation der Verwaltungs-, Finanz= und Revisionsbehörden
hatten sodann auch eine Abänderung des die Befugnisse der obersten
Rechnungsbehörde regelnden Edikts von 1819 zur Folge. In Art 3
Abs 2 der bis zum 1. Januar 1877 gültigen LhV vom 11. Oktober
1832 (RegBl Nr LVI, S 450) wurde es sodann auch als eine Auf-
gabe der Oberrechnungskammer bezeichnet, die den Ständen gemäß
§ 55 Verf vorzulegenden Nachweisungen über die Verwendung der
öffentlichen Gelder zu prüfen und ihre Uebereinstimmung mit den
gestellten Rechnungen selbst zu bestätigen. Die hiernach auf dem Weg
der landesherrlichen Verordnung, nicht des Gesetzes, geregelte Stel-
lung der Oberrechnungskammer, die in der Verfassung selbst keine
Erwähnung gefunden hat, wurde gegen Ende der 40er und 50er
Jahre des vorigen Jahrhunderts wiederholt bei den ständischen Ver-
handlungen zur Erörterung gebracht, und insbesondere bemängelt,
daß für die Behörde, welche auch über das Rechnungswesen der
höchsten Staatsbehörden Kontrolle zu üben habe, und welche auch
den Kammern jede Bürgschaft für ihre diesen gegenüber zu ver-
richtenden Geschäfte bieten solle, nicht auch formell eine durchaus
unabhängige Stellung im Staatsorganismus gewährleistet sei, wie
dies dadurch geschehen könnte, daß der Oberrechnungskammer die
eigene Vertretung ihrer Angelegenheiten im Staatsministerium
übertragen würde.
Das Ges vom 25. August 1876 wollte deshalb nach dem Bei-
spiel anderer Staaten und insbesondere im Anschluß an das preußische
Ges vom 27. März 1872 zur Durchführung des konstitutionellen
Prinzips in Gemeinschaft mit den Ständen die Einrichtung und
Befugnisse der Oberrechnungskammer neu regeln und dabei dieser
Behörde nicht nur die vollständige Unabhängigkeit von den Staats-
verwaltungsbehörden verleihen, sondern auch zur Erleichterung der
Kammern in Uebung der ihnen durch § 67 Verf eingeräumten
Rechte die Befugnisse dieser obersten Rechnungsbehörde dahin er-
weitern, daß sie nicht auf eine bloß formelle und kalkulatorische Prü-
fung der Staatsrechnungen den Ständen gegenüber beschränkt blieb,
sondern ermächtigt wurde, in ihren dem Landtage vorzulegenden
Bemerkungen auch darauf aufmerksam zu machen, wo ihr Ver-
waltungsmaßregeln mit den durch die Gesetze festgesetzten Grund-
sätzen nicht in Uebereinstimmung zu sein scheinen. Val RegBegri
Verh d II. K 1875/76, 4. BeilHeft S 92.