I. Geschichte der Verfassung. 27
germeister in größeren Städten, oder zum Vorsitzenden eines Kreis-
ausschusses gewählt sind. Ist in dicser Weise die Zahl der Mitglicder
der ersten Kammer, und zwar insbesondere die der gewählten
Mitglieder wesentlich verstärkt und eine Gewähr dafür gegeben, daß
die im Erwerbsleben und in der Selbstverwaltung gesammelten Er-
fahrungen, daß die Interessen der in den wirtschaftlichen Unter-
nehmungen angelegten Kapitalien hier eine hervorragende Vertretung
finden, so ist es auch angemcssen, daß der ersten Kammer in einigen
Beziehungen erweiterte Befugnisse eingeräumt werden, welche es ihr,
unter Aufrechterhaltung einer in dieser Hinsicht brcvorrechteten
Stellung der zweiten Kammer, möglich machen, auch auf die Ge-
staltung des Staatsfinanzwesens eine der verstärkten Bedeutung der
ersten Kammer entsprechende Einwirkung auszuüben.“
Den wesentlichen Inhalt der Regierungsvorlagen gibt der
Kommissionsbericht der zweiten Kammer folgendermaßen wieder:
1. Die Wahlen der Abgeordneten zur zweiten Kammer sollen
im unmittelbaren Verfahren, wie bei den Reichstagswahlen, vor-
genommen werden, so daß künftig die zweite Kammer aus allge-
meinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen hervorgehen würde.
2. Die Berechtigung zur Abstimmung bei den Wahlen zur
zweiten Kammer wird insofern einer Einschränkung unterworfen.
als zweijähriger Besitz der badischen Staatsangehörigkeit und Wohn-
sitzim Lande von gleicher Daucr als Voraussctzung aufgestellt wird.
Ferner soll die Wahlberechtigung ruhen, wenn der Berechtigte im
letzten der Wahl vorausgegangenen Jahre versäumt hat, die ihm
gegenüber dem Staate oder der Gemeinde obliegende Pflicht zur
Entrichtung einer direkten Steuer zu erfüllen.
3Z. Bei den Wahlen der Abgeordneten zur zweiten Kammer
entscheidet im ersten Wahlgang die absolute, im zweiten Wahlgang
die relative Stimmenmehrheit, ohne daß für den zweiten Wahlgang
eine Beschränkung in den in Betracht kommenden Kandidaten
eintritt.
4. Die Zahl der Abgcordneten der zweiten Kammer wird auf
70 erhöht. Die Wahlen finden ohne Ausnahme in Einerwahlkreisen
statt, wobei die sog. Privilegien der Städte Mannheim, Karlsrute,
Freiburg, Heidelberg, Pforzheim, Konstanz, Lörrach mit Stetten,
Lahr, Offenburg, Baden, Rastatt, Durlach und Bruchsal erhalten
werden. Und zwar erhalten Mannheim sechs, Karlsruhe vier, Frei-
burg drei, Heidelberg und Pforzheim je zwei Abgcordnete, dic übri-
gen genannten Städte je einen Abgcordneten. Städtce, in welchen
danach mehrere Abgcordnete zu wählen sind, werden durch landes-
herrliche Verordnung in ebensoviele Wahlkreise eingeteilt.