32 I. Geschichte der Verfassung.
auedrücklich bestimmt werden, welche Gesetze als Finanzgesetze dem
formellen Vorgangsrecht der zweiten Kammer unterliegen; ab-
weichend von den bisherigen Bestimmungen soll dagegen bei diesen
Finanzgesetzen im Fall von Meinungsverschiedenheiten beider Kam-
mern eine nochmalige Beratung in beiden Kammern möglich sein,
schließlich aber wic bisher die von der zweiten Kammer beschlossene
Fassung der Abstimmung der ersten Kammer zugrunde gelegt
werden.
Wenig günstige Aussichten ergaben sich zunächst bei den Be-
ratungen der Verfassungskommission der ersten Kammer, die zum Vor-
sitzenden den Grafen von Bodman und zum Berichterstatter den
Freiherrn Ernst August von Göler wählte. Schon der Re-
gierungsentwurf hatte, wic im Kommissionsbericht der ersten Kam-
mer: ausgeführt ist, insbesondere hinsichtlich der Regelung des Bud-
getrechts nicht allen Wünschen entsprochen, welche früher, insbesondere
bei den Beratungen im Jahr 1898, in der ersten Kammer geäußert
worden waren. In der von der zweiten Kammer beschlossenen Fassung
erschien der Entwurf aber allen Mitgliedern der Kommission un-
annchmbar, und zwar einem Teil wegen der von der zweiten Kam-
mer in den Entwurf hineingebrachten Bestimmungen, einem andern
Teil — und zwar der Mehrheit der Kommission — wegen der allge-
meinen politischen Bedeutung des Gesetzes unter den heutigen so-
zialen und wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Verhältnissen.
Trotz ihrer grundsätzlichen Verschiedenhcit einigte sich die Kom-
mission aber doch dahin, einen Versuch zu ciner Verständigung der
gesetzgecbenden Faktoren zu machen. Dabei wurden folgende drei
Hauptgesichtspunkte verfolgt:
1. An der Gestaltung der zweiten Kammer, wie sie in der
Fassung der letzteren gefordert wird, soll möglichst wenig geändert,
jedoch die Verhältniswahl in den Städten mit mehreren Abgeord-
neten beseitigt werden.
2. Die Zusammensetzung der ersten Kammer soll im wesent-
lichen nach dem Regierungsentwurf geschehen, die Zahl der ernannten
Mitglieder aber im Anschluß an die langjährige Uebung, daß unter
den ernannten Mitgliedern sich jeweils zwei Richter befinden, um
zwei höhere richterliche Beamte vermehrt werden.
3. Die staatsrechtlichen Befugnisse der ersten Kammer in bud-
getrechtlicher Beziehung sollen den veränderten Verhältnissen ent-
sprechend erweitert werden.
1. Verh der I. K 1903/04, Beil Heft S 361 ff.