Verfassung. § 15. 55
1. Ersetzt durch GG § 16: „Ausnahmegerichte sind unstatthaft.
Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die gesetz-
lichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standrechte werden
hierdurch nicht berührt.“ Bezüglich des letzteren Punktes vol Art 68
Reichs Verf. Hiernach kann der Kaiser, wenn die öffentliche Sicher-
heit in dem Bundesgebiet bedroht ist, einen jeden Teil desselben in
Kriegszustand erklären, und es gelten bis zum Erlaß eines die Vor-
aussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer
solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes die Vorschriften des Preuß.
Gesetzes vom 4. Juni 1851. — Ob und inwieweit daneben noch die
Landesgesetze vom 29. Januar 1851, betr den Kriegszustand und
betr das Standrecht (Reg Bl S 39 und 43) in Kraft stehen, wird von
Wielandt, Staatsr S 229, als zweifelhaft bezeichnet, aber wohl
mit Unrecht. Insbesondere das Gesetz über den Kriegszustand wird
auch neben der durch Art 68 Reichs Verf dem Kaiser eingeräumten
Befugnis noch anwendbar sein, soweit dasselbe die — übrigens in
Art 66 Abs 2 Reich-Verf ausdrücklich zugelassene — Mitwirkung des
Militärs voraussetzt, allerdings nicht ohne Genehmigung des Kaisers.
Ueber die jetzige und die frühere Organisation der Rechtspflege
vgl Wielandt, Staatsrecht, S 87 ff.
2. Vgl jetzt StPpO §§ 112—114 und 127.
3. Jetzt St PO § 115, wonach der Verhaftete spätestens am Tag
nach seiner Einlieferung in das Gefängnis durch einen Richter über
den Gegenstand der Beschuldigung gehört werden muß; vgl auch StO
g 128.
4. Das hiernach dem Großherzog zustehende Recht, erkannte
Strafen ganz oder teilweise zu erlassen, Begnadigungsrecht im
engeren Sinne — ohne das in einigen andern Bundesstaaten noch
bestehende Recht zur Abolition, dh zur Niederschlagung der Unter-
suchung, vol hierüber Löwe, St PO, Note 2 zu § 6 des Ec z St
— ist durch die reichsgesetzliche Regelung des Strafverfahrens nicht be-
rührt worden, da § 484 St PO nur in Sachen, in denen das Reichs-
gericht in erster Instanz erkannt hat, das Begnadigungsrecht dem
Kaiser zuweist. Val Löwe, St PO, Note 9 bis 13 zu GVG Tit 2;
Laband, Staatsr III, S 491 ff.
Durch Staatsministerialentschließung vom 30. Dezember 1871
ist das Justizministerium ermächtigt worden, gerichtlich erkannte
Geldstrafen, Haftstrafen und Gefängnisstrafen bis zur Dauer von
sechs Wochen im Gnadenweg zu mildern oder ganz zu erlassen, sowie
auch Haftstrafen und Gefängnisstrafen der erwähnten Dauer in
Geldstrafen zu verwandeln, Bek vom 2. Januar 1872 (G u VWl