124 Verfassungsurkunde. § 70.
biner in den verschiedenen zu seinem Bezirk gehörigen Synagogen.
Die Rabbiner werden auf Vorschlag der israelitischen Oberkirchen-
behörde vom Staate ernannt und können aus triftigen Gründen
nach dem Ermessen der Staatsbehörden entlassen werden. Die Be-
aufsichtigung und Leitung des israelitischen Kirchenwesens ist der
vom Staate bestellten, dem Ministerium des Kirchen= und Schul-
wesens unmittelbar untergeordneten Oberkirchenbehörde
übertragen, die aus einem Regierungsbevollmächtigten, einem israe-
litischen Theologen und wenigstens drei weiteren israelitischen Bei-
sitzern besteht. Zu dem israelitischen Zentralkirchenfonds, aus dem
namentlich die Gehalte der Rabbiner und Unterstützungen an arme
Rabbinats= und Schulamtszöglinge bezahlt werden, leistet der Staat
einen der Etatsverabschiedung unterliegenden Beitrag #).
8 70. a) im allgemeinen.
Gleichheit der drei christlichen Glaubensbekenntnisse.
Jeder der drei im Königreiche bestehenden christlichen
Konfessionen wird freie öffentliche Religionsübung, und der
volle Genuß ihrer Kirchen-, Schul= und Armenfonds zugesichert.
1. Unter den „drei im Königreiche bestehenden christlichen Kon-
fessionen“", denen die Eigenschaft als öffentliche Körperschaft und
damit die Vermögensfähigkeit zuerkannt ist, sind zu verstehen die
evangelisch-lutherische Kirche, die katholische
Kirche und die reformierte Kirche. Im Jahre 1823 wur-
den die vereinzelten reformierten (Waldenser) Kirchengemeinden des
Landes ohne Aenderung ihres Bekenntnisses mit der lutherischen
Landeskirche vereinigt und damit zur Beteiligung an allen Einrich-
tungen dieser Kirche berechtigt; seitdem hat sich in Stuttgart-Cann-
statt wieder eine reformierte nicht unierte Gemeinde mit einem
eigenen Pfarramt gebildet, die unter der unmittelbaren Aufsicht des
Ministeriums des Kirchen= und Schulwesens steht.
2. Die Bildung religiöser Vereine außerhalb der vom Staat
1) Vgl. Gaupp-Göz S. 423; Göz, Verwaltungsrechtspflege
S. 265, 315, 353; Sarwey, Staatsrecht Bd. 2 S. 430.