274 Verfassungsurkunde. § 129.
daß ein Stimmrecht nur für ruhend angesehen wird, wenn
der Besitzer wegen persönlichen Mangels zur Stimm-
führung unfähig sein sollte“!).
Diese Begriffsbestimmung der ruhenden Stimme hält sich in
den Schranken des juristischen Sprachgebrauchs, wie er z. B. im
BG. SS 1676/8, 1694, 1696 bei dem Ruhen der elterlichen Gewalt
und im Reichstagswahlgesetz § 2, sowie im Reichsmilitärgesetz § 49
bei dem Ruhen des Wahlrechts der Militärpersonen sich offenbart;
im weiteren Verlauf wurde jedoch der Begriff über den Sprach-
gebrauch der Gesetze, der Wissenschaft und des gewöhnlichen Lebens
hinaus mehr und mehr verallgemeinert; das Ruhen einer Stimme
wurde unterstellt nicht nur wegen unzureichender Kompetenz oder
Konkurses oder Geisteskrankheit eines Standesherren, wegen ge-
richtlicher Sequestration einer Standesherrschaft infolge Verweigerung
der Huldigung, wegen Uebergangs des Besitzes einer Standesherr-
schaft an eine Frau, sondern auch in Fällen, in denen ein beanspruchtes
Stimmrecht nicht nachgewiesen war oder über das Erlöschen eines
Stimmrechts Streit herrschte und Ungewißheit bestand, oder das
Wiederaufleben einer erloschenen Sekundogeniturlinie möglich war.
Die Berücksichtigung der ruhenden Stimmen bei der Berechnung
der Zahl der vom König zu ernennenden Mitglieder widerstreitet
den bestimmten nach ihrem Wortlaut durchaus klaren und einer
anderen Auslegung nicht fähigen Vorschriften der Verfassungsurkunde
und ist daher als verfassungswidrig und rechtlich unzulässig zurück-
zuweisen. Die Verfll. anerkennt als Mitglieder der Ersten Kammer
ausschließlich die in § 129 aufgezählten; für diese Mitglieder ist der
Eintritt in die Erste Kammer bedingt durch die in §§ 134 und 135
in Ansehung des Geschlechts, des Alters, des Staatsbürgerrechts,
der bürgerlichen Ehrenrechte und der rechtlichen Selbständigkeit
aufgestellten Erfordernisse. Fehlt eine dieser Eigenschaften, so kommt
es nach den klaren Bestimmungen der Vll. nicht zu einem Ruhen
des durch die betreffende Eigenschaft bedingten Stimmrechts, viel-
mehr ist dann der Eintritt in die Kammer ausgeschlossen oder
es erlischt eine bereits begründete Mitgliedschaft; ausdrücklich
d en Verhandlungen der 1. Kammer von 1836 Heft 2 S. 501
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