Verfassungsurkunde. § 129. 275
schreibt § 158 VuU. den Austritt eines Mitglieds der Kammer
vor, wenn es in der Zwischenzeit eine der erforderlichen Eigen-
schaften verliert. Einer Person aber, die wegen eines Mangels der
nötigen Eigenschaften nicht in die Erste Kammer eintreten darf
oder aus ihr ausgeschieden ist, wird nirgends in der Verfassungs-
urkunde ein Einfluß auf die Zusammensetzung dieser Kammer zu-
gestanden. Der § 132 Vl. will dem Einfluß der vom König er-
nannten Mitglieder gegenüber den durch ihre Geburt berufenen
Mitgliedern eine Schranke ziehen: Die ernannten Mitglieder sollen
über nicht mehr als ½ Stimmen der sonstigen Mitglieder oder /
der Gesamtstimmen verfügen, nach diesem Grund und nach seinem
Wortlaut hat er nur vollberechtigte Kammermitglieder, nur vor-
handene und wirksame Stimmrechte im Auge, für ruhende Stim-
men, für Stimmrechte, die nicht ausgeübt werden können, die nur
fingiert werden, ist hier kein Raum. Zuzugeben ist allerdings, daß
seit etwa 70 Jahren in der Praxis der Ersten Kammer und der
Regierung eine gegenteilige Uebung befolgt worden ist, allein hieraus
darf ein dieses Verfahren rechtfertigendes Gewohnheitsrecht nicht
abgeleitet werden, denn bis zum 1. Januar 1900 galt in Württem-
berg der Satz, daß ein Landesgesetz durch Gewohnheitsrecht nicht
aufgehoben und nicht abgeändert werden kann.
Die Rechtmäßigkeit der gegenwärtigen Zusammensetzung der
Ersten Kammer wird übrigens von der Zurückweisung der ruhenden
Stimmen nicht berührt, da im maßgebenden Zeitpunkt der letzten
Ernennung eines lebenslänglichen Mitglieds die Gesamtzahl der er-
nannten Mitglieder im richtigen Verhältnis zur Gesamtzahl der
übrigen vollberechtigten Kammermitglieder stand. Für die Zukunft
hat die Streitfrage in Ansehung der ordentlichen lebenslänglichen
Mitgliedern ihr praktisches Interesse verloren, da deren Zahl auf
sechs festgelegt ist; dagegen sind die hier entwickelten Gesichtspunkte
bei der Beantwortung der in Zukunft erheblichen Frage zu beachten,
ob standesherrliche Landstandsschaftsrechte dauernd weggefallen sind
(ogl. § 130 neue Fassung).
6. Eine standesherrliche Gemeinschaft im Sinne
des § 129 Ziff. 2 der alten Verf. Urk. liegt vor, wenn mehrere ehe-
mals reichsfürstliche oder reichsgräfliche Familien ein standesherr-
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