Verfassungsurkunde. § 130—131. 279
Insoweit als Landsstandschaftsrechte der in § 129 Ziff. 2 bezeich-
neten Art auf andere Weise als durch freiwilligen Entschluß dauernd
wegfallen, erhöht sich entsprechend die Höchstzahl der nach § 129
Ziff. 3 von dem König auf Lebenszeit zu ernennenden Mitglieder.
2. Der Entwurf von 1897 hatte als Ersatz für wegfallende
standesherrliche Landstandschaftsrechte die Ernennung erblicher Mit-
glieder aus dem begüterten standesherrlichen oder ritterschaft-
lichen Adel durch den König vorgesehen: dagegen war in dem Ent-
wurfe von 1905 von der Berufung weiterer erblicher Mitglieder
ganz abgesehen; der § 130 in seiner jetzigen Fassung verdankt seine
Aufnahme im wesentlichen dem Vorschlag der Ersten Kammer.
3. Die eventuelle Ernennung weiterer lebenslänglicher Mit-
glieder ist ein Recht des Königs, dessen Ausübung seinem Ermessen
anheimgestellt ist; der § 130 begründet nicht eine Verpflichtung der
Krone und schafft nicht einen Rechtsanspruch der Ersten Kammer.
4. Ob die Voraussetzungen der Ernennung eines weiteren lebens-
länglichen Mitglieds vorliegen, ist eine Tatfrage, die in erster Linie
von der Krone zu prüfen und zu entscheiden ist. Zu verneinen ist
diese Frage, wenn ein standesherrliches Landstandschaftsrecht durch
freiwillige Veräußerung der Standesherrschaft, durch Verzicht auf
das württemb. Staatsbürgerrecht, durch die Aufgabe des Wohn-
sitzes im deutschen Reich wegfällt, oder wenn das Landstandschafts-
recht nur ruht (ogl. S. 272 ff.) und nicht dauernd in Wegfall kommt;
zu bejahen ist die Frage insbesondere, wenn eine standesherrliche
Familie ausstirbt oder zur Veräußerung der Standesherrschaft ge-
zwungen ist. Auch muß der dauernde Wegfall des Landstand-
schaftsrechtes unter der Herrschaft des neuen § 130 eingetreten sein;
als Ersatz für früher weggefallene Landstandschaftsrechte ist die Er-
nennung lebenslänglicher Mitglieder nicht zugelassen.
131. Lebenslängliche mitglieder.
Die lebenslänglichen Mitglieder werden vom Könige,
ohne Rücksicht auf Geburt und Vermögen, aus den würdigsten
Staatsbürgern ernannt.