324 Verfassungsurkunde. § 164 u.
8 164 a. Geschäftsordnung.
Jede Kammer regelt innerhalb der verfassungsmäßigen
Schranken ihre Geschäftsordnung.
1. Der § 164 a ist durch Art. 3 des Verfassungsgesetzes vom
22. Juni 1874 eingeschaltet worden.
2. Die Verfassungsurkunde von 1819 enthält über die Behand-
lung der landständischen Geschäfte eine Reihe von Vorschriften, an
die sich die auf Grund von Entwürfen der Regierung vereinbarten
Geschäftsordnungen der Zweiten Kammer vom 23. Juni 1821 (Nöl.
S. 331) und der Ersten Kammer vom 20. Oktober 1841 (Rbl. S.
489) anschlossen. Die erste Landesversammlung gab sich auf Grund
der ihr gesetzlich erteilten Vollmacht eine eigene Geschäftsordnung.
Das Recht jeder Kammer, innerhalb der verfassungsmäßigen Schranken
unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften und ohne Verletzung
der Rechte der Regierung ihre Geschäftsordnung selbst zu regeln,
fand erst in dem Art. 3 des Verfassungsgesetzes von 1874 Aner-
kennung und zugleich dadurch einen weiteren Umfang, daß die Vor-
schriften der Verfassungsurkunde über die Befugnisse des Präsidenten
(§5 165), über die Beurlaubung der Ständemitglieder (§ 166), über
die Form der Vorträge (§ 171) und der Beratung (8 173 Abs. 1),
über die Abstimmung (§ 174), über die Disziplin (§ 185 Abfl. 2)
als der Autonomie der Kammern anheimfallend aufgehoben wurden.
Hierauf hat die Kammer der Abgeordneten am 19./24. Juni 1875
und die Kammer der Standesherren am 21. Juni 1876 je ihre innere
Geschäftsordnung festgestellt, während die sog. äußere Geschäftsord-
nung für den Verkehr der Kammern unter sich durch die K. Ver-
ordnung vom 20. Oktober 1841 §§ 1—18 ihre Regelung erhalten
hat, und die Geschichte ihrer Entstehung noch dadurch bekundet, daß
sie den ersten Teil der Geschäftsordnung der Kammer der Standes-
herren bildet 2). Das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 hat die Sitz-
1) Vgl. Mohl Bd. 1 S. 698; Bitzer S. 201.
2) Die Geschäftsordnung der Kammer der Standesherren ist im
Anhang als Beil. 6 abgedruckt, ebenso die Geschäftsordnung der
Kammer der Abgeordneten als Beil. 7; die seitherigen Ergänzungen
und Aenderungen sind dabei berücksichtigt.