Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. § 172. 331 
ministeriums gelangen sie an den König. Sind sie von diesem unter 
Gegenzeichnung eines Ministers genehmigt, so werden sie durch das 
Staatsministerium — der Entwurf des Etatsgesetzes ausnahms- 
weise durch den Finanzminister (§ 111) — den Ständen vorgelegt, 
nach dem Belieben der Regierung, zuerst der Ersten oder der Zwei- 
ten Kammer. Nur wenn sie Verwilligung von Abgaben 
betreffen, müssen sie zunächst bei der Zweiten Kammer eingebracht 
werden (Vl. S 178). 
Macht eine Kammer von dem Recht der Gesetzesinitiative Ge- 
brauch, so muß die geschäftsordnungsmäßige Vorschrift des AbfK. 3 
eingehalten werden. Wird sie nicht eingehalten, so ist unzweifelhaft 
die beteiligte Kammer berechtigt und verpflichtet, die geschäftliche 
Weiterbehandlung des Antrags abzulehnen. Geschieht dies nicht, 
wird vielmehr der Antrag trotz des Formmangels von der Kammer 
angenommen, so wird sowohl die andere Kammer als die Regie- 
rung befugt sein, dem Beschlusse der Kammer wegen des Form- 
fehlers ohne Würdigung seines Inhalts die Zustimmung zu ver- 
sagen. Setzen sich aber die andere Kammer und die Regierung über 
den Formfehler hinweg und stimmen sie dem Beschlusse zu, so gilt 
der formelle Mangel als geheilt, das Gesetz kann wegen dieses seiner 
Entstehung anhaftenden Mangels von keiner Seite mehr angefoch- 
ten werden. Insoweit als den Ständen das Recht der Gesetzesini- 
tiative zukommt, wird ihnen auch das Recht, an den Regierungs- 
vorlagen Aenderungen zu beschließen, nicht versagt werden können ½). 
b) Beratung in der Ständeversammlung.:). Ge- 
setzesentwürfe der Regierung sind, wenn dies von der Regierung 
verlangt wird, vor der Einzelberatung an eine Kommission zur Vor- 
beratung zu überweisen (§ 173). Im übrigen steht es im Ermessen 
jeder Kammer, ob eine Kommissionsberatung vorangehen soll. Hat 
eine solche stattgefunden, so ist der Entwurf in der Zweiten Kammer 
in einer Beratung zu erledigen, andernfalls einer ersten und zwei- 
ten Beratung zu unterstellen, wobei sich die erste auf eine allge- 
meine Erörterung der Grundsätze der Vorlage beschränkt. Gesetzes- 
entwürfe, die, während der Vertagung der Ständeversammlung 
) Vgl. Mohl BRd. 1 S. 618. 622, Bitzer S. 263. 
2) Vgl. Bitzer a. a. O. S. 260—267.
	        
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