Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

338 Verfassungsurkunde. 8 176. 
Präsidenten ein regelmäßiges Stimmrecht zusteht und bei Stim— 
mengleichheit seine Stimme doppelt zählt 1). Die württembergische 
Vorschrift läßt nach ihrer Wortfassung ebenfalls diese Auslegung 
zu?); außerdem kann sie auch dahin ausgelegt werden, daß der 
Präsident nur an der Abstimmung sich beteiligen darf, wenn außer 
seiner Stimme Stimmengleichheit vorhanden ist 3). Für letztere 
Auslegung sprechen auf dem Boden des württ. Verfassungsrechts 
ganz überwiegende Gründe. Einmal die Entstehungsge- 
schichte: In der Verfassungsurkunde von 1815 ist für die Ab- 
stimmung in der einen Ständeversammlung die Reihenfolge der 
Abgabe der einzelnen Stimmen mit peinlicher Genauigkeit geordnet 
und in dieser Richtung, nachdem der § 26 den Stimmführern ihre 
Sitze teils zur rechten, teils zur linken Seite des Präsidenten, der 
der jedesmalige Erbmarschall ist, angewiesen hat, in § 283 bestimmt: 
„Bei der Abstimmung werden nach dem Vizepräsidenten oder dessen 
Stellvertreter, welcher zuerst seine Stimme abzugeben hat, sämtliche 
Stimmführer nach ihrer Ordnung im Sitzen, jedoch mit jedesmaliger 
Abwechslung zwischen der rechten und linken Seite aufgerufen. Die 
Stimmvertreter legen ihre Stimmen in derjenigen Ordnung ab, in 
welcher die Gewaltgeber, wenn sie anwesend sind, aufgerufen wer- 
den. Die Stimmenmehrheit der Anwesenden macht den Beschluß. 
In dem Falle einer Stimmengleichheit hat der Präsident eine ent- 
scheidende Stimme“"). Es ist undenkbar, daß daneben dem Präsi- 
denten ein weiteres Stimmrecht zugestanden werden wollte, denn 
in diesem Falle hätte über die Art seiner Ausübung Bestimmung 
getroffen werden müssen. Auch der ständische Verfassungsentwurf 
von 1816, der für die eine Kammer ein aus dem Präsidenten und 
dem Landschaftsdirektor und deren Stellvertretern bestehendes Prä- 
sidium vorsieht, schreibt zunächst in § 37 genau die Stimmord- 
9 N-r Glockner, Badisches Verfassungsrecht 1905 S. 168 
ote 4. 
2) In der Literatur hat übrigens diese Auslegung keine Ver- 
tretung gefunden. 
3) Letztere Auslegung findet sich bei Mohl, Staatsrecht Bd. 1 
S. 714, 719/20 und bei Gaupp-Göz S. 115; Bitzer und Sarwey 
nehmen keine Stellung zu der Frage. 
!) Vgl. Fricker a. a. O. S. 8. 
 
	        
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