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Präsidenten ein regelmäßiges Stimmrecht zusteht und bei Stim—
mengleichheit seine Stimme doppelt zählt 1). Die württembergische
Vorschrift läßt nach ihrer Wortfassung ebenfalls diese Auslegung
zu?); außerdem kann sie auch dahin ausgelegt werden, daß der
Präsident nur an der Abstimmung sich beteiligen darf, wenn außer
seiner Stimme Stimmengleichheit vorhanden ist 3). Für letztere
Auslegung sprechen auf dem Boden des württ. Verfassungsrechts
ganz überwiegende Gründe. Einmal die Entstehungsge-
schichte: In der Verfassungsurkunde von 1815 ist für die Ab-
stimmung in der einen Ständeversammlung die Reihenfolge der
Abgabe der einzelnen Stimmen mit peinlicher Genauigkeit geordnet
und in dieser Richtung, nachdem der § 26 den Stimmführern ihre
Sitze teils zur rechten, teils zur linken Seite des Präsidenten, der
der jedesmalige Erbmarschall ist, angewiesen hat, in § 283 bestimmt:
„Bei der Abstimmung werden nach dem Vizepräsidenten oder dessen
Stellvertreter, welcher zuerst seine Stimme abzugeben hat, sämtliche
Stimmführer nach ihrer Ordnung im Sitzen, jedoch mit jedesmaliger
Abwechslung zwischen der rechten und linken Seite aufgerufen. Die
Stimmvertreter legen ihre Stimmen in derjenigen Ordnung ab, in
welcher die Gewaltgeber, wenn sie anwesend sind, aufgerufen wer-
den. Die Stimmenmehrheit der Anwesenden macht den Beschluß.
In dem Falle einer Stimmengleichheit hat der Präsident eine ent-
scheidende Stimme“"). Es ist undenkbar, daß daneben dem Präsi-
denten ein weiteres Stimmrecht zugestanden werden wollte, denn
in diesem Falle hätte über die Art seiner Ausübung Bestimmung
getroffen werden müssen. Auch der ständische Verfassungsentwurf
von 1816, der für die eine Kammer ein aus dem Präsidenten und
dem Landschaftsdirektor und deren Stellvertretern bestehendes Prä-
sidium vorsieht, schreibt zunächst in § 37 genau die Stimmord-
9 N-r Glockner, Badisches Verfassungsrecht 1905 S. 168
ote 4.
2) In der Literatur hat übrigens diese Auslegung keine Ver-
tretung gefunden.
3) Letztere Auslegung findet sich bei Mohl, Staatsrecht Bd. 1
S. 714, 719/20 und bei Gaupp-Göz S. 115; Bitzer und Sarwey
nehmen keine Stellung zu der Frage.
!) Vgl. Fricker a. a. O. S. 8.