340 Verfassungsurkunde. § 176.
von diesem bisher konstant eingenommenen Standpunkt abgehen
wollte; die Beratung dieser Proposition in der Sitzung vom 17. Sep-
tember 1819 gibt über die Bedeutung der fraglichen Vorschrift
keinerlei Auskunft 1).
Eine ausschlaggebende Bestätigung findet die hier vertretene
Auslegung in der konstanten landständischen Praxis,
in der gleichmäßigen Uebung der Nächstbeteiligten.
Seit der Verabschiedung der Verfassung hat weder in der Ersten
noch in der Zweiten Kammer je der Präsident an einer Abstimmung
mitgewirkt, wenn nicht vorher Stimmengleichheit festgestellt war;
auch haben die Präsidenten wohl nie an den landständischen Wah-
len sich beteiligt, bei denen ein Stichentscheid nicht in Frage kommt.
Unzweifelhaft stützt sich diese Uebung auf eine opinio juris, sie ist wäh-
rend ihrer ganzen Dauer getragen worden von dem Bewufßtsein
und der Absicht, in dieser Weise einer bindenden Vorschrift der
Verfassung gerecht zu werden. Diese Auffassung hat auch in den
ersten Geschäftsordnungen der Kammern unverkennbaren Ausdruck
gefunden. Die Geschäftsordnung der Ersten Kammer (Rol. v. 1811
S. 489) bestimmt in § 27, daß der Aufruf nach der verfassungs-
mäßigen Sitzordnung geschieht, und daß der Präsident und die
Sekretäre ihre Sitze an einem besonderen Tisch nehmen, und schreibt
dann in § 63 vor: „Die Stimmen werden auf namentlichen Auf-
ruf in der § 27 bezeichneten Ordnung abgelegt. Dem Präsi-
denten gebührt im Falle der Stimmengleichheit die entscheidende
Stimme. Die Sekretäre stimmen in der ihnen als Mitglieder der
Kammer gebührenden Ordnung.“ In der ersten Geschäftsordnung
der Kammer der Abgeordneten vom 23. Juni 1821 (Rbl. S. 331)
ist die Ordnung der Stimmabgabe in § 50 dahin geregelt: „Die
Stimmen werden . auf namentlichen Aufruf des Präsidenten oder
nach dessen Auftrag eines der Sekretäre in der durch § 162 der
Verfassungsurkunde bezeichneten Ordnung abgelegt; dem Präsidenten
gebührt im Falle der Stimmengleichheit die entscheidende Stimme,
der Vizepräsident und die Sekretäre stimmen in der ihnen als Mit-
glieder der Kammer gebührenden Ordnung.“ Nach dem Wortlaut
1) Vgl. Fricker a. a. O. S. 447/8.