Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. § 176. 341 
dieser Bestimmungen ist anzunehmen, daß damit das Stimmrecht 
des Präsidenten erschöpfend geregelt werden wollte; die Reihen- 
folge seines beschränkten Stimmrechts ergibt sich aus der Natur der 
Sache, hätte ihm ein unbeschränktes Stimmrecht zuerkannt werden 
wollen, so hätte dessen Platz in der Abstimmungsreihe angegeben 
werden müssen#. 
Wäre daher die Beschränkung des Stimmrechts des Präsidenten 
nicht schon in der Verfassungsurkunde enthalten, so müßte in dieser 
Beziehung die Bildung eines Gewohnheitsrechts unterstellt 
werden, das an die Vorschrift der Verfassungsurkunde sich anschließend 
deren Inhalt ergänzt, authentisch interpretiert. 
Beigefügt mag noch werden, daß unter ähnlichen Verhältnissen 
in der württembergischen Gemeindeverfassung dieselbe 
Rechtsanschauung Ausdruck gefunden hat. Das Verwaltungsedikt 
vom 1. März 1822 hatte in § 19 für die Abstimmung im Gemeinde- 
rat bestimmt: „Der Beschluß wird nach der Stimmenmehrheit ge- 
faßt. Im Falle der Stimmengleichheit hat der Vorstand die ent- 
scheidende Stimme“; der Art. 17 Abs. 5 des Gesetzes vom 6. Juli 
1849 hat diese Bestimmung durch folgende ersetzt: „Die Beschlüsse 
werden nach der Stimmenmehrheit gefaßt. Im Falle der Stimmen- 
gleichheit hat der Vorstand die entscheidende Stimme; im übrigen 
steht ihm kein Stimmrecht zu“. Für die Abstimmung im 
1) Am 13. Juni 1820 hatte die Kammer der Standesherren die 
von der Kammer der Abgeordneten beschlossene Verwilligung von 
Ergänzungssteuern durch Stichentscheid des Präsidenten mit 15 
gegen 14 Stimmen abgelehnt. In der Sitzung der Kammer der 
Abgeordneten vom 14. Juni 1820 handelte es sich nun um den 
Vollzug der Durchzählung der Stimmen im Sinne des § 181 Vl. 
Der Präsident Weishaar, unterstützt von dem Abgeordneten 
Bolley vertrat dabei die Ansicht, die Stimme des Präsidenten 
der Ersten Kammer dürfe nicht mitgezählt werden: an sich sei jede 
Stimme entscheidend, „aber die Stimme des Präsidenten gelte nur 
aMls entschei dend im engern Sinn im Fall einer 
Stimmengleichheit für die betreffende Kammer.“ 
Dieser Auffassung schloß sich die Kammer mit 54 gegen 35 Stim- 
men an (Verhandlungen der Kammer der Abg. v. 1820 Heft 12 
S. 1211) und sie wurde auch von der Ersten Kammer gebilligt und 
in der gemeinsamen Adresse erwähnt (Verhandlungen der Kammer 
der Standesh. v. 1820 Heft 6 S. 625, 630, 650, Beil. 137).
	        
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