346 Verfassungsurkunde. § 181.
wird alsdann nach der Mehrheit sämtlicher Stimmen der
Ständebeschluß abgefaßt. Würde in diesem Falle Stimmen=
gleichheit eintreten, so hat der Präsident der Zweiten Kammer
die Entscheidung.
Bei der Beschlußfassung über Aufnahme von Anlehen und über
Veräußerung von Bestandteilen des Kammerguts, auch wenn sie in
Verbindung mit der Beschlußfassung über den Hauptetat erfolgt,
sind beide Kammern gleichberechtigt.
2. Auf die weitgehende Bemessung der Vorrechte der Zweiten
Kammer bei der Feststellung des Etats ist die Zusammensetzung
dieser Kammer nicht ohne Einfluß gewesen. In dem K. Verfassungs-
entwurf von 1817 Kap. VIII § 298 war in Beziehung auf Steuer-
verwilligungen lediglich die vorgängige Einbringung der Vorlagen
bei der jetzigen Zweiten Kammer vorgeschrieben; im übrigen war
die Gleichheit der Befugnisse beider Kammern gewahrt und für den
Fall der mangelnden Einigung bestimmt, daß es, falls die Kammern
nicht auf den ganz unparteiischen Ausspruch der Regierungsbehörde
kompromittieren wollen, bis auf weiteres bei dem im letzten Etats-
jahre bestandenen Verhältnisse zwischen den verschiedenen Besteue-
rungsarten verbleibe. Dagegen enthält die Verfassungsproposition
von 1819 in ihrem § 176 die dem jetzigen § 181 entsprechenden Be-
stimmungen. In dem Kommissionsbericht über das IX. Kapitel der
Verfassungsproposition findet sich folgende Stelle: „Endlich glaubt
die ständische Kommission sich der Hoffnung hingeben zu dürfen,
daß bei der Besetzung der Ersten Kammer mit den Prinzen des
K. Hauses, mit den Standesherren und mit den vom König zu er-
nennenden Mitgliedern, bei der Vermischung der übrigen drei Stände
in der Zweiten Kammer und bei dem dieser Kammer zugeteilten,
ihr gebührenden größeren Einfluß auf die Steuerverwilligung mit
Recht zu erwarten sei, daß die Erste Kammer, ohne Rücksicht auf
einzelne Zwecke, ohne Beachtung irgend einer herrschenden Meinung
die Rechte aller Staatsbürger wahren und das unzertrennliche Staats-
wohl im allgemeinen vor Augen haben, dagegen die Zweite Kammer,
ausgerüstet mit der ganzen Gewalt der öffentlichen Meinung, diese
aussprechen und auf eine gesetzliche Weise geltend machen werde.“
Bei der Beratung dieser Verfassungsproposition in der Stände-