Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. § 181. 349 
und die Abweichungen einer nochmaligen Erörterung und Beschluß- 
fassung zu unterziehen. Das Verfassungsgesetz von 1906 hat die 
von der Verfassungsurkunde vorgeschriebene vertrauliche Besprechung 
fallen gelassen und dagegen bestimmt, daß die Beschlüsse der Zweiten 
Kammer über die einzelnen Titel des Etats zunächst der Ersten 
Kammer zur Beratung und Beschlußfassung mitzuteilen sind, und 
daß die sich dabei ergebenden abweichenden Beschlüsse der Ersten 
Kammer einer nochmaligen Beratung und Beschlußfassung in der 
Zweiten Kammer unterliegen (Abs. 1 Ziff. 2). 
e) Gestritten wurde auch über die Grenzlinie zwischen den Ab- 
gabenwilligungen und den Gegenständen der regelmäßigen Gesetz- 
gebung, namentlich über die Frage, ob die Vorrechte der Zweiten 
Kammer sich auch auf die Beschlußfassung über Aufnahme von 
Anlehen und über Veräußerung von Bestandteilen des Kammerguts 
beziehen und ob sie auch gegenüber den durch die ordentliche Ge- 
setzgebung festbestimmten Steuersätzen Wirkung haben. Durch das 
Verfassungsgesetz von 1906 ist diese Streitfrage zugunsten der 
Ersten Kammer entschieden: in Abs. 2 des § 181 ist die Gleich- 
berechtigung beider Kammern bei der Beschlußfassung über Anlehen 
und über Veräußerung von Bestandteilen des Kammerguts, auch 
wenn sie in Zusammenhang mit dem Etat stehen, ausdrücklich an- 
erkannt (vgl. § 107 und §§ 119—123, S. 199, 239) und nach Abs. 1 Ziff. 2, 
Abs. 2 bedarf die Aenderung der im Wege der ordentlichen Gesetz- 
gebung fest bestimmten Steuersätze der gleichberechtigten Zustim- 
mung beider Kammern, mag nun die Aenderung in einer Beseiti- 
gung der Steuer oder in einer Ermäßigung oder in einer Erhöhung 
des Steuersatzes bestehen 1). Dies trifft zurzeit zu für die Wander- 
gewerbesteuer, für die Umsatzsteuer, für die Abgabe von Wein und 
Obstmost, für die Sporteln und Gerichtskosten, wogegen bei der 
Biersteuer, bei der Kapitalsteuer, bei der Steuer aus Grundeigen- 
tum, Gebäuden und Gewerben die Festsetzung des Steuersatzes für 
jede Etatsperiode dem Finanzgesetz überlassen ist und bei der Ein- 
9 Die Gesetzgebung hat sich damit den Grundsätzen ange— 
schlossen, die von uns in Gaupp-Göz, Staatsrecht S. 203—205 
aus allgemeinen Rechtsregeln abgeleitet worden sind.
	        
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