Verfassungsurkunde. § 195. 381
a) auf Unternehmungen, die den Umsturz der
Verfassung bezwecken: Gemeint ist lediglich die würt-
tembergische Landesverfassung; die Reichsverfassung,
zu deren Schutze besondere reichsgesetzliche Vorkehrungen getroffen
sind (vgl. Ger Verf Ges. § 136 Ziff. 1 und Reichs Verf. Art. 19) bildet
nicht einen Teil der württembergischen Verfassung und fällt daher
an sich nicht unter den § 195, wohl aber kann eine Instruktion an
die Bundesratsbevollmächtigten oder eine Abstimmung im Bun-
desrat den Tatbestand des § 195 ergeben. Zu den Unternehmungen
im Sinne des § 195 gehören insbesondere Handlungen, die, wie der
Hochverrat und Landesverrat, vom allgemeinen Strafgesetzbuch
§8 81—93 mit Strafe bedroht sind.
b) auf die Verletzung einzelner Punkte der Ver-
fassung: Von Erheblichkeit ist hier nur die Frage, ob eine
Vorschrift in der Verfassungsurkunde oder in einem die Verfassungs-
urkunde ändernden oder ergänzenden späteren Verfassungsgesetz ent-
halten ist; ob die Vorschrift von Wichtigkeit oder von untergeord-
neter Bedeutung ist, ob sie ein Gebot oder ein Verbot enthält, ist
ohne Belang; Handlungen sowohl als Unterlassungen, bewußt rechts-
widrige sowohl als fahrlässige können die Verletzung einer Ver-
fassungsvorschrift enthalten; ausgeschlossen sind dagegen Verletzungen
einzelner Punkte der Reichsverfassung, Gefährdungen der Sicherheit
und der Wohlfahrt des Staats ohne Verfassungsverletzung, Ver-
letzungen der Vorschriften gewöhnlicher Gesetze, auch wenn sie von
der größten politischen Bedeutung sind. Inwieweit eine Handlung,
die sich zugleich als Vorbereitung oder Versuch eines Vergehens im
Sinne des Strafgesetzbuchs darstellt, unter den Tatbestand der Ver-
fassungsverletzung fällt, ist nach den Umständen des einzelnen Falles
zu entscheiden. Eine Beschränkung auf Amtshandlungen ist für
die Regel nicht vorgesehen, auch Privathandlungen fallen grund-
sätzlich unter die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs 1).
2. Eine Handlung kann sich zugleich als eine Verfassungsver-
letzung im Sinne des § 195 und als eine reichsgesetzlich der Ge-
1) Mohl, Staatsrecht Bd. 1 S. 776 ff. bemüht sich, ein Ver-
zeichnis sämtlicher Verfassungsverletzungen aufzustellen.