fullscreen: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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verharren. In dem jetzt vorliegenden Fall wird dies der Bundesrat um so 
eher dürfen, als das auf Grund seiner jetzigen Geschäftsordnung immer aus- 
gedehntere Substitutionswesen, das heißt die Uebertragung der Stimmbefugnis 
von einem Bundesstaat auf den andern, wenn auch nach der Instruktion des 
Uebertragenden, mit der Reichsverfassung schwerlich zu vereinbaren ist. Die 
Reichsverfassung, indem sie den Bundesrat einrichtete, hat damit die andere 
Einrichtung, welche ja möglich gewesen wäre, ausschließen wollen, daß man für 
jede legislative Entscheidung bei den Bundesregierungen lediglich Umfrage hält. 
Die Einrichtung des Bundesrats bezweckt, durch die Vereinigung persönlicher 
Vertreter der Regierungen die letzteren unter den Einfluß der Gesamtheit zu 
stellen, unter welchen jeder einzelne Vertreter durch die Beratung mit seinen 
Kollegen gestellt wird. Es wird vorausgesetzt, daß der Vertreter gegenüber 
seiner Regierung den Einfluß, den er seinerseits erfahren, ebenso geltend zu 
machen weiß, wie er seinerseits den Standpunkt der von ihm vertretenen Re— 
gierung bei den Kollegen und durch diese bei den verbündeten Regierungen 
geltend gemacht hat. 
Es bedarf nicht der Ausführung, daß dieser Zweck des Bundesrats ebenso 
unentbehrlich für die Reichsverfassung ist, als er durch das Substitutionswesen 
vereitelt wird. An die Beschränkung des letzteren wird also Hand gelegt 
werden müssen.“ 
Nach einer aus der Umgebung des Fürsten Bismarck stammenden Version 
fand der Reichskanzler in den Verpflichtungen, die sein Amt ihm dem Bundes- 
rat gegenüber auferlegte, und in den Rücksichten, die er dem letzteren schuldig 
war, eine Nötigung zu dem von ihm gethanen Schritt. „Wenn er sich aus 
verschiedenen, teils sachlichen, teils allgemein politischen Gründen in der Lage 
geglaubt hat, die Uebermittlung eines Mehrheitsbeschlusses des Bundesrats an 
den Reichstag im Namen des Kaisers mit der ihm obliegenden Verantwortlich- 
keit nicht vereinbaren zu können, so wird er es mit seiner Stellung zu den 
verbündeten Regierungen vielleicht nicht verträglich gehalten haben, die ihm vom 
Bundesrat gestellte Aufgabe unter Berufung auf seine Verantworlichkeit einfach 
abzulehnen. Ihm kann es schon aus Anstandsrücksichten geboten erschienen sein, 
vor Erklärung seiner Weigerung sich amtlich zu vergewissern, ob Seine Mcjestät 
der Kaiser nicht etwa geneigt sei, dem Bundesrat einen andern, zur Ueber- 
nahme der Verantwortlichkeit für die Beschlüsse desselben bereiten Kanzler zur 
Verfügung zu stellen, oder ob die Kaiserliche Autorität ihm bei der Ab- 
lehnung des ihm angesonnenen Dienstes in vollem Maße zur Seite stehe, 
damit es nicht den Anschein gewinne, als ob er für seine Person sich 
einem zwar mit geringer Majorität, aber doch immerhin rite gefaßten Bundes- 
ratsbeschlusse widersetzen wolle. Das Transmissoriale eines solchen an den 
Reichstag zu unterschreiben ist ein Akt, von welchem die Uebernahme der Ver- 
antwortlichkeit für das Unterschriebene sich nicht wohl trennen läßt. Kann aber
	        
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