— 238 —
welche, um sich den wider sie gerichteten Verfolgungen zu entziehen, sich in das
Gebiet des andern Staats moͤchten gefluͤchtet haben, sollen daselbst auf die erste
Requisition der competenten Behörde, sammt den bei sich führenden Effekten, von
den Civil= oder Militair-Behörden des Orts, wo sie angetroffen worden, ver-
haftet und, jedoch mit Vorbehalt der in dem nachfolgenden öten Artikel enthal-
tenen Ausnahme, sammt den angehaltenen Effekten der Obrigkeitz, welche sie
reclamirt, ausgeliefert werden.
Art. 2. Ist der Reclamirte in dem Lande, wohin er sich geflüchtet hat,
schon wegen gleicher oder größerer Verbrechen als die sind, um deren Willen
er reclamirt wird, angeklagt oder schon verurtheilt, so soll man nicht schuldig
seyn, ihn auszuliefern. Man soll ihm alsdann seinen Prozeß machen, und er
soll nach den Gesetzen des Landes, wo er sich befindet, gestraft werden. Wird
aber dieser Mensch für unschuldig erkannt, oder hat er, nachdem er verurtheilt
worden, seinc Strafe ausgestanden, oder ist derselbe begnadigt worden, so soll
er dem Gouvernement, das ihn reclamirt hat, ausgeliefert werden, um nach
Maasgabe der in dem Gebiet der reclamirenden Macht begangenen Verbrechen
gerichtet und gestraft zu werden.
Art. 3. Die Verhaftung und Auslieferung soll in Hinsicht des, eines
Verbrechens Verdächtigen, auf Ansicht des Verhaftbefehls der Justizbeamten
der reclamirenden Macht, und in Hinsicht des wegen Verbrechen Verurtheilter
auf Ansicht des gegen sie ausgesprochenen Urtels erfolgen.
Art. 4. Um alle, der Erforschung und Verfolgung der Verbrecher
nachtheilige Zögerungen zu vermeiden, sollen die Richter und öffentlichen Beamten
der beiden Staaten mit einander korrespondiren können, und die besagten Be-
hörden sollen gehalten seyn, auf jede Requisition die Schritte, Nachsuchungen
und Handlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, welche zu Feststellung
des Verbrechens nothwendig sind; wenn aber die Verhaftung, welche ohne
höhere Authorisation soll geschehen können, statt gefunden, so sollen die Befehle
zur Auslieferung von den gegenseitigen Ministerien ertheilt werden, und in kei-
nem Falle sollen die Unterbehörden zur Auslieferung schreiten können, ohne
vorher diese Befehle eingeholt zu haben.
Art. 5. In dem Fall, wo ein außerhalb beider Staaten begangenes
Verbrechen zu einem Verfahren gegen den Angeschuldigten Anlaß gäbe, soll
das Gouvernement, in dessen Staaten der Prozeß geführt wird, wenn der An-
geschuldigte sein Unterthan ist, denselben, so wie oben gesagt ist, von den Au-
toritäten des Landes, wohin er geflüchtet ist, reclamiren können.
Art 6. In allen in den Artikeln 1. 2. 3. 4. und 5. berührten Fällen
soll die Auslieferung nur in sofern begehrt werden können, als der Angeschul-
digte oder Verurtheilte ein Unterthan des Staats, der ihn reclamirt, oder in
Ansehung beider Staaten ein Fremder wäre. Ist er Unterthan des Staats,
bei