Metadata: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

656 II. 1. Der Wiener Congreß. 
rand seit Monaten schürend und hetzend vorbereitet hatte: er beantragte 
insgeheim ein Kriegsbündniß zwischen England, Oesterreich, Frankreich 
und ihren kleinen Gesinnungsgenossen. Im Grunde ist es müßig, einen 
Charakter dieses Schlages nach seinen Beweggründen zu fragen. Der 
edle Lord war was seine Landsleute stubborn nennen; in blindem Eifer 
rannte der englische Stier auf das rothe Tuch der sächsischen Frage 
los, das ihm die gewandten Espadas Metternich und Talleyrand vor— 
hielten; zudem war dem Lord soeben die Nachricht zugekommen, daß 
England in Gent mit Nordamerika Frieden geschlossen, also die Arme 
frei hatte. Irgend ein Interesse, das den englischen Staat zum Kriege 
wider Preußen treiben konnte, war freilich auf der weiten Welt nicht 
vorhanden; aber man hatte sich seit vielen Wochen in die Entrüstung 
wider den Staat, der die Sache Europas verrathen haben sollte, hinein— 
geredet, und einmal doch mußte das von „den Hunden Frankreichs“ an— 
gefachte Feuer in hellen Flammen aufschlagen. Selbst Gagern wußte 
zur Entschuldigung der britischen Tollheit nur zu sagen: „der Topf lief 
über oder es war Vorwand.“ 
Während Metternich mit den Vertretern der Westmächte den Angriff 
auf Preußen besprach, ging der gesellige Verkehr der diplomatischen Welt 
in ungetrübter Munterkeit weiter; mit der gewohnten treuherzigen Ge— 
müthlichkeit bewirthete der gute Kaiser Franz seine fürstlichen Gäste, denen 
er das Messer in den Rücken zu stoßen hoffte. Noch am 2. Januar 
schrieb Metternich „seinem theuersten Fürsten“ Hardenberg ein freundschaft— 
liches Billet, bat ihn wegen dringender Geschäfte die heutige Sitzung auf 
morgen zu verschieben;“) einige Stunden nachher kam er selber zu dem 
Staatskanzler um Rücksprache zu nehmen wegen der Artikel über Thorn 
und Krakau. Von der Sitzung des 3. Januar berichten die Protokolle 
des Vierer-Ausschusses nur, daß Oesterreich, im Wesentlichen mit den 
russischen Vorschlägen einverstanden, eine Vergrößerung seines polnischen 
Antheils verlangt habe. An demselben Tage, der sich so friedlich anließ, 
unterzeichnete Metternich mit Castlereagh und Talleyrand das Kriegs- 
bündniß gegen Preußen und Rußland. Der Wortlaut dieses seltsamen 
Vertrages war ebenso dunkel wie die Absichten seiner Urheber; man hatte 
guten Grund das Licht zu scheuen. „In Folge neuerdings offenbarter 
Ansprüche“ verpflichten sich die drei Mächte, einander gegenseitig mit min- 
destens 150,000 Mann zu unterstützen, falls eine von ihnen wegen ihrer 
gemeinsam aufgestellten gerechten und billigen Vorschläge angegriffen oder 
bedroht werden sollte; ein Angriff auf Hannover oder die Niederlande 
gilt als ein Angriff auf England. Die drei Mächte haben zugleich „die 
Absicht, die Bestimmungen des Pariser Friedens in der seinem wahren 
Zwecke und Geiste möglichst entsprechenden Weise zu vervollständigen."“ 
  
*) Metternich an Hardenberg, 2. Januar 1815.
	        
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