dem Justizminister und unter Mitberathung der Justizabtheilung Unsers Staats-
Rathes hieruͤber gemachten Vortrag, wie folgt:
S. I. Ein jeder, dessen Vermoͤgen und Erwerb nicht hinreicht, nebst sei-
nem und seiner Familie Unterhalt die zur Fuͤhrung eines Prozesses erforderlichen
Kosten zu bestreiten, kann auf das Armenrecht Anspruch machen.
§. 2. Zu diesem Ende ist erforderlich:
1) Ein Auszug aus den Steuerrollen der betresfenden Gemeine, worin der Be-
trag der Steuern zu bemerken ist, welche derjenige, der zum Armenrechte
gelangen will, entrichret.
Ein Zeugniß seines Buͤrgermeisters, so wie des Steuer- Empfängers, daß
er nicht im Stande sey, die Prozeßkosten zu bestreiten. In diesem Zeug-
nisse sind das Gewerbe, die Vermögensumslände und die Familienverhält=
nisse des Supplikanten anzugeben.
Die Versicherung des Letztern, daß er in keiner andern Gemeine liegende
Gründe besitze. Im entgegengesetzten Falle muß ein Auszug aus der
Steuerrolle dieser Gemeine beigebracht werden.
. 3. Mi diesen Zeugnissen wendet derselbe sich an den Oberprokurator,
des betreffenden Landgerichts.
# 4. Der Oberprokurator bringt das Gesuch vor die Rathskammer des
Landgerichts, welche, nachdem sie denselben in seinem Antrage gehört hat, das
Armenrecht entweder bewilligt oder versagt.
5. Wird Jemand in einem Prozesse zum Armenrechte zugelassen, so ist
ihm für denselben ein Rechtsanwald und ein Gerichtsvollzieher nach der Reihe-
folge zu besiellen, welche ihre Funktionen in dieser Rechtssache ohne Vergeltung
verrichten müssen. Die Zustellung der Akten zwischen Anwälden geschiehet durch
einen der Audienz-Gerichtsvollzieher.
g. 6. Wer das Armenrecht erlangt hat, ist frei von allen gerichtlichen
Taren und Gebühren, so wie vom Stempel. Doch sind diese sowohl als die
übrigen Kosien von den betreffenden Beamten im Deber einzutragen.
g. 7. Das Armenrecht befreiet die damit versehene Parthei keineswegs
von Bezahlung der dem Gegentheil verursachten Kosten, wenn sie zur Erstar-
tung derselben verurtheilt wird.
SK. 8. Findet sich bei Entscheidung des Rechtsstreits, daß der Arme einen
frevelhaften Prozeß geführt hat, so kann er in dem Erkenntnisse in eine Gefang-
nißflrafe von 24 Stunden bis zu fünf Tagen verurkheilt werden.
§. 0. Gegen dieses Erkenntniß findet die Berufung nur dänn statt, wenn
das Urtheil in der Hauptsache derselben unterworfen ist.
§ä. 10. Wenn Jemand, ohne darauf Anspruch machen zu können, das
Armenrecht erschlichen hat, so soll er vor das Zucht-Polzzeigericht gestellt und
mit einer Gefängnißstrafe von einem bis sechs Monaten belege werden.
Sémmtliche Prozeßkosten werden überdies von ihm beigetrieben.
S. II.
V
2
V
3