Verletzung des Briefgeheimnisses in Rußland und Oestreich. 261
bei diesem Eingeständniß und war unbefangen der Meinung,
daß es sein monarchisches Recht sei, auch auf diesem Wege
von der Correspondenz Kenntniß zu erhalten, deren Trägerin
die russische Post war.
Auch in Wien haben früher ähnliche Einrichtungen be-
standem. Vor Erbauung der Eisenbahnen hat es Zeiten ge-
geben, in denen nach Ueberschreitung der Grenze ein öst-
reichischer Beamter zu dem preußischen Courier in den Wagen
stieg und unter Assistenz des Letztern die Depeschen mit ge-
werbsmäßigem Geschicke geöffnet, excerpirt und geschlossen wur-
den, bevor sie an die Gesandschaft in Wien gelangten. Noch
nach dem Aufhören dieser Praxis galt es für eine vorsichtige
Form amtlicher Mittheilung von Cabinet zu Cabinet nach
Wien oder Petersburg, wenn dem dortigen preußischen Ge-
sandten mit einfachem Postbriefe geschrieben wurde. Der In-
halt wurde von beiden Seiten als insinuirt angesehn, und man
bediente sich dieser Form der Insinuation gelegentlich dann,
wenn die Wirkung einer unangenehmen Mittheilung im Inter-
esse der Tonart des formalen Verkehrs abgeschwächt werden
sollte. Wie es in der Post von Thurn und Taxis mit dem
Briefgeheimniß bestellt war, wird aus meinem Briefe an
den Minister von Manteufsel vom 11. Januar 1858 an-
schaulich:
„Ich habe schon telegraphisch die dringende Bitte ausge-
sprochen, meinen vertraulichen Bericht, betreffend die Beschwerde
Lord Bloomfield's in der Bentinck'schen Sache, nicht durch die
Post an den Grafen Flemming in Karlsruhe zu schicken und
so zu Oestreichs Kenntniß zu bringen. Sollte meine Bitte zu
spät eingetroffen sein, so werde ich nach mehren Richtungen
hin in unangenehme Verlegenheiten gerathen, welche kaum
Nassau eingingen und mit der Post befördert würden, damit sie ge-
lesen werden sollten, während sie doch die größten „Sottisen“ für den
Kaiser enthielten.“