— 137 —
oder was Testament ist. Hat der Richter diesen Rechtssatz unrichtig verstan-
den oder irrig angewandt, so liegt darin eine Rechtsverletzung. Hat derselbe
dagegen in dem zu seiner Beurtheilung vorliegenden Falle die einzelnen dem
Prinzipe nach erforderlichen thatsächuichen Momente als wirklich vorhanden an-
genommen, z. B. einen ertrag, wobei es zweifelhaft war, ob der Kaufpreis
gehôrig bestimmt sei, für einen Kaufkontrakt erklärt und in dem Erkenmtnisse
ausgeführt, daß die Bestimmung des Kaufpreises genügend bestimmt worden,
so kann er in dieser Feststellung des Thatbestandes geirrt, oder auch gegen den
*. 5. Nummer 10. der Verordnung verstoßen haben, es liege aber keine Ver-
letzung eines Rechtsgrundsatzes vor.
Bei der Berathung über die Verordnung wurde die Frage aufgewor-
sen: „ob nur wegen Gesetzesverletzung die Nichtigkeirsbeschwerde zuldssig sein
solle, nicht aber auch dann, wenn der Richter die Natur und den wesentlichen
Charakter eines Rechtsgeschdsts verkannt, z. B. wenn er einen bloßen Thei-
lungsrezeß für einen WVergleich, einen Mierhskontrakt für einen Kaufkontrakt,
einen Erbpachtskomrakt für einen Zeitpachtskontrakt angeschen habe?“ und be-
schlossen, hierüber in der Verordnung nichts zu sagen, „weil alle diese Fälle in die
Kategorie der Gesetzverletzungen (Verletzungen eines Rechtsgrundsatzes) gehören.“
10. Auf die in der Allgemeinen Gerichts-Ordnung, z. B. in
der Lehre vom Konkurse oder über den Kostenpunkt enthaltenen
materiellen Gorschriften oder Rechtsgrundsäétze, findet die Be-
stimmung des F. 4. Nummer 1. der Verordnung volle Anwendung.
Es kann nichts darauf ankommen, ob die materiellen Gesetze, deren Ver-
lebung die NMichtigkeitsbeschwerde nach §. 4. Nummer 1. begründet, sich im
Allg. Landrecht oder in andern, das materielle Recht vornehmlich beslimmenden
Gesegen, oder in der Allg. Gerichts = Ordnung und den das Prozeßverfahren
regelnden Gesetzbüchern vorfinden.
Eben dies gilt aber auch von der Anwendung des §+. 4. Nummer 2.
der Verordnung, wenn Prozeßvorschristen im Allg. Landrecht, z. B. in der
Lehre von gesundenen Sachen, Thl. 1. dite 9. 96. 31. und ff. vorkommen.
u
m 8. 5.
11. Die Verletzung einer Prozeßvorschrift (einer der Vor-
schriften, welche die Verfolgung des materiellen Rechts vor Ge—
richt normiren), hat die Vernichtung des aus diesem Grunde an—
gefochtenen Erkenntnisses nur dann zur Folge, wenn einer von
den im 8. 5. der Verordnung und in den Zusätzen der Deklararion
hier zu ausge führten Fällen vorliegt. #
Zu den Prozeßvorschristen werden auch gerechnet die Vorschriften von
den Rechtsmitteln und deren Zulassung, so wie die Regeln des Beweises einer
bestrittenen Thatsache. Einen Grundsatz des materiellen Rechts berührt dage-
gen die Frage: ob das einer Kl.ge zum Grunde liegende Dokument wegen
Mangels in der Form ungültig, oder ob die Vorschrift über eine rechtliche Ver-
muthung (proesumtio juris) verletzt, oder auf Fälle, wofür sie micht bestimmt
ist, angewendet worden sei.
um (. 5. Nummer 1.
12. Hierher gehbri auch der Fall, wenn der Richter seine
([o. 100).) Ent-