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Jedes Mitglied der Versammlung ist befugt, unter Anfuͤhrung besimm-
ter Thatsachen und Beweismittel, gegen ein anderes Mitglied den Antrag zu
stellen, daß demselben das Anerkenntniß unverletzter Ehrenhaftigkeit zu versagen
sei. Dieser Antrag ist bei dem Vorsitzenden anzubringen.
g. 6.
Der Antrag auf Entziehung der staͤndischen Rechte, es mag solcher vom
Vorsitzenden oder einem Mitgliede ausgehen, ist mit den dafuͤr geltend gemach-
ten Gruͤnden demjenigen, gegen den er gerichtet ist, schriftlich mitzutheilen und
der Versammlung bei ihrem naͤchsten Zusammentreten vorzutragen, sofern der
Angeschuldigte nicht selbst erklaͤrt, der ferneren Ausuͤbung staͤndischer Rechte
sich fortan enthalten zu wollen. — Eine solche freiwillige Erklaͤrung hat alle
rechtlichen Folgen einer foͤrmlichen Entziehung der staͤndischen Rechte.
S. 7.
Der Angeklagte ist befugt, sich durch eine dem Vorsitzenden zu überge-
bende schriftliche Erklärung oder mündlich in der Versammlung zu rechrferti-
gen, darf aber bei der Berathung hierüber eben sowenig als bei der Abstim-
mung in der Versammlung gegenwärtig sein. Der Vorsitzende stellt schließlich
die Frage:
8 Soll wegen des Antrags das weitere Verfahren eintreten?
Wird diese Frage von der Mehrheit der Anwesenden bejaht, so muß das
Verfahren eingeleitet werden.
Auf Verlangen des Angeschuldigten muß unter allen Umständen das
Verfahren Statt sinden.
g. 8.
Von dem Beschlusse hat der Vorsitzende dem Ober-Praͤsidenten der
Provinz Anzeige zu machen. Ist der Beschluß auf Einleitung des Verfahrens
ausgefallen, so hat der Ober-Präsident die Aufnahme des Thatbestandes und
die * ernehmung des Angeschuldigten durch einen Regierungs-Justitiarius an-
zuordnen.
G. 9.
Die Entscheidung faällt hiernächst
a) die Versammlung der Wähler, welche den Angeschuldigten zu derjeni-
gen ständischen Versammlung gewählt hat, bei welcher derselte ange-
schuldigt worden ist;
b) ist die Anschuldigung gegen einen Rittergutsbesitzer als Mitglied einer
kreisstaͤndischen ober kommunalstaͤndischen Bersammlung gerichtet, so ent-
scheidet die zur Wahl des ritterschaftlichen Provinzial-Landtagsabgeord-
neten berufene Versammlung;
P)gehört der Angeschuldigte dem Herrenstande an, so behalten Wir Uns
vor, in jedem einzelnen Falle einen aus einem Vorsitzenden und minde-
stens 6 Mitgliedern bestehenden Gerichtshof von Standesgenossen beson-
ders zu bilden, dessen Ausspruch Unserer Besiätigung umerliegt.
g. 10.