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2) ein Ehrenrath oder Disziplinarrath eine Disziplinaruntersuchung in Fällen,
wo sie staltfinden sollte, nicht einleitek, oder die Erledigung einer einge-
leiteten Disziplinaruntersuchung in einer dem Dienste nachtheiligen Weise
verzögert, ,
so kann das Appellationsgericht — in den Fällen zu 2. nach fruchtlos erlas-
sener Aufforderung zur Einleitung, beziehungsweise zur Beschleunigung der Un-
tersuchung — durch einen in einer Plenarsitzung gefaßten Beschluß, die Sache
zur Untersuchung und Entscheidung an sich ziehen.
F. 71.
Wenn das Appellationsgericht die Sache an sich zieht, so beauftragt
dessen Erster Prasident einen Richter mit der Voruntersuchung, und es kommen
die Bestimmungen des zweiten und dritten Abschnittes des die Richter betref-
fenden Gesetzes vom 7. Mai 1851. zur Anwendung.
Die Berufung stehr der Staatsamwaltschaft bei dem Appellationsgerichte
und dem Angeschuldigten gegen jedes Endurtheil zu.
S. 72.
So lange für die Rechtsanwalte bei dem Obertribunale ein Ehrenrath
oder Disziplinarrath nicht besteht, werden die Disziplinarsachen von dem Ge-
richtshofe nach den Bestimmungen des zweiten und dritten Abschnittes des die
Richter betreffenden Gesetzes vom 7. Mai 1851. erledigt.
S. 73.
Hinsichtlich der Disziplinarstrafen kommt in Fällen der W. 71., 72. und
75. die Verordnung vom 30. April 1847. und für das Gebiet des Rheinischen
Rechtsverfahrens die Verordnung vom 7. Juni 1844. zur Anwendung.
g.
Die §#. 15., 10. und 17. der Verordnung vom 30. April 1817. werden
aufgehoben. Gegen jede definitive Entscheidung des Ehrenrathes steht sowohl
der Staatsanwaltschaft, als dem Angeschuldigten, die Berufung an das Ober-
tribunal offen. Die Anmeldung erfolgt bei dem Ehrenrathe, der die angefoch-
tene Entscheidung erlassen hat. Im Uebrigen kommen für das Verfahren die
Vorschriften der W. 37. bis 43. des die Richter betreffenden Gesetzes vom
7. Mai 1851. zur Anwendung.
F. 75.
Wenn Dienstvergehen eines Advokaten oder Rechtsamwalts in der Sitzung
des Obertribunals, eines Appellationsgerichtshofes, eines Schwurgerichtshofes,
eines Landgerichtes, Kreisgerichres oder Stadtgerichtes vorfallen, so ist das Ge-
richt, welches die Sitzung hält, selbst wenn es nur eine Abtheilung des ganzen
Gerichtes bildet, befugt, über diese Vergehen sofort oder in einer fortgesetzten
Jahrgang 1872. (J.. 7008.) 65 Sitzung