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dem „Enteignungshoheitsrecht“ des Staates, d. h. dem „Recht der Staats-
gewalt, das Enteignungsrecht dem Unternehmer zu verleihen“, und dem Ent-
eignungsrecht selbst (S. 4). „Die herrschende Meinung geht dahin, dass die
Enteignung den Charakter des Kaufvertrags trage, ein notwendiger oder
zwangsweiser Kauf sei und daher in allen wesentlichen Beziehungen nach
den privatrechtlichen Normen des Kaufes behandelt werden müsse“ (S. 26).
Daran ist festzuhalten (8. 27).
Das ist die gute alte Zeit.
Solche Dinge sind gleichwohl für die Vortrefflichkeit des Ganzen ohne
Schaden. Der Verf. verfährt damit, wie gescheite Leute es so oft thun,
wenn sie dazwischen einmal einen verkehrten Satz aufstellen: er zieht keine
Folgerungen daraus.
Leipzig. — Otto Mayer.
Dr. Eugen Ehrlich, ord. Professor an der Universität Czernowitz, Bei-
träge zur Theorie der Rechtsquellen. I. Teil. Das jus civile,
jus publicum, jus privatum. Berlin, Carl Heymann 1902. VIIu. 258 8.
Dass wir unser Bürgerliches Gesetzbuch gerade ein bürgerliches nennen,
hat nichts von vornherein Einleuchtendes. Was haben die Bürger hier zu
thun? Niemals wären wir auf den sonderbaren Namen gekommen, hätten
wir nicht am jus civile der Römer ein massgebendes Vorbild vor Augen ge-
habt. Desto mehr müsste es uns interessieren zu erfahren, wie diese Aus-
drucksweise ihrerseits sich rechtfertigt. Der Verf. wagt es nicht, mit voller
Entschiedenheit für eine bestimmte Erklärung sich auszusprechen. Er meint
(S. 75): der Pflege des ganzen Rechts lagen seit jeher die pontifices ob;
da begann man denn schon früh die geistlichen und die weltlichen Bestand-
teile zu unterscheiden, das jus pontificium vom jus civile.. „Seinen Namen
mochte das jus civile daher haben, weil es sich auf die Angelegenheiten
der Bürger bezog“ (S. 76). Dagegen gehörten die leges nicht zum jus civile:
„sie waren Gemeingut des Volkes, nicht Wissenschaft der pontifices“. Da
scheint freilich der Grund nicht mehr zu passen: denn auf die Angelegen-
heiten der Bürger bezogen sich doch auch die Gesetze. Aber der Verf. hat
hier einen anderen Gegensatz im Auge, auf dessen Durchführung es ihm bei
seiner Arbeit hauptsächlich ankommt. Jus civile ist danach Recht, welches aus
der Thätigkeit der Juristen hervorgeht, „ausserstaatliches“ Recht, und damit
der Gegensatz zu dem durch die Gesetze geschaffenen Rechte, zum jus publicum.
Diese Auffassung sucht er durch zahlreiche Stellen aus römischen Schrift-
stellern zu belegen. Und es wird ihm zugegeben werden müssen, dass ein
derartiger Sprachgebrauch, wenigstens für das ältere römische Recht, sich
wohl behaupten lässt. Jus privatum ist dann gegenüber dem jus civile der
weitere Begriff: es umfasst über dieses hinaus auch noch das jus gentium
und das jus naturale, also alles „ausserstaatliche“ Recht im reinen Gegen-
satz zu dem vom Staate ausgehenden Recht, dem jus publicum (8. 199).
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