Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

426 Rußland. (April 17.—30.) 
Regierung von Stockholm aus Einspruch erhoben, da nur der durch Er- 
laß der russ. Prov. Regierung v. 12. April 1917 eingesetzte estnische Landtag 
mit der von ihm bestimmten estn. Regierung die rechtmäßige gesetzliche Ver- 
tretung Estlands darstelle. 
Ferner meldet am 20. April „Havas“ aus Moskau: Der Volkskommissar 
für Ausw. Angelegenheiten erhielt von der Prov. Regierung Estlands einen 
Protest gegen die Einsetzung eines ballischen bürgerlichen Landesrates, dessen 
Ziel ist, die baltischen Provinzen von Rußland loszutrennen. Der Protest 
erklärt, daß diese Einsetzung eine grobe Fälschung der Meinung des est- 
ländischen Volkes sei, das nicht gefragt wurde, und eine Verletzung des 
Friedensvertrages, die die freie Ausübung des Rechts der Völker, über ihr 
Schicksal zu bestimmen, beeinträchtige. Die Meinung des estländischen Volkes 
werde sich niemals dem Beschluß des Landesrats unterwerfen. 
17. April. Tod Kornilows. 
„Reuter“" meldet (am 25.) aus Moskau: Die Streitkräfte des Generals 
Kornilow (s. GeschKal. 1917 Tl. 2 S. 733) wurden von den Sowjettruppen 
am 17. April bei Jekaterinodar geschlagen. Wie Gefangene mitteilen, ist 
Kornilow seinen Wunden erlegen. — Im Sommer 1918 taucht das (nicht 
nachprüfbare) Gerücht auf, daß General Kornilow noch am Leben sei. 
22. April. (Transkaukasien.) Erklärung der Unabhängigkeit. 
Der Landtag von Transkaukasien proklamiert die Unabhängigkeit 
T.s von Zentralrußland. Die Regierung Gegetschkori (s. Gesch Kal. 1917 
Tl. 2 S. 781), die den Brester Frieden nicht anerkennen will, da sie der 
Sowjetrepublik das Recht abspricht, über das Gebiet Transkaukasiens zu 
verfügen, tritt zurück und wird durch eine neue Regierung unter Tschenkeli 
(Nat.-Soz.) ersetzt. Die neue Regierung erkennt alsbald den Brester Frieden 
an. Zur endgültigen Festlegung der Friedensbedingungen werden Verhand- 
lungen mit der Türkei in Batum (s. S. 430) anberaumt. Diese Entwicklung 
bedeutet einen Sieg der nationalistischen Soz. über die Anhänger der „russ. 
Orientierung“. 
26. April. (Moskau.) Ankunft der deutschen Delegation unter 
Führung des Gesandten Grafen v. Mirbach-Harff (s. Tl. 1 S. 145). 
Am gleichen Tage überreicht Graf Mirbach dem Präsidenten des 
Hauptvollzugsausschusses der Sowjets J. Swerdlow sein Einführungsschreiben. 
26. April. (Lettgallen.) Unabhängigkeitserklärung. 
Der (in Dünaburg am 22. zusammengetretene) Landtag wählt einen 
Landesrat und proklamiert die Unabhängigkeit des früheren Ordensgebietes 
Lettgallen (Polnisch-Livland). Ferner wird einmütig beschlossen, die Re- 
gierung von Kurland und Livland zu bitten, den Anschluß Lettgallens an 
genannte Reiche zu gestatten, sowie den Grafen Hertling um Hilfe und 
Unterstützung bei Durchführung des Landtagsbeschlusses zu bitten. 
30. April. Russ. Protest gegen den deutschen Vormarsch. 
„Havas“ meldet aus Moskau: Die russ. Regierung protestiert in einer 
Note an das Auswärtige Amt in Berlin dagegen, daß die Deutschen trotz 
des Friedenszustandes ihren Marsch fortsetzen und Orel, Kursk und Woronesch 
besetzten, in den Taurus eindringen und in Nordfinnland Eigentum des 
russ. Kriegsministeriums beschlagnahmen. Bei diesem Stande der Dinge 
glaubt sich die russ. Regierung genötigt zu sehen, genügend Streitkräfte zu 
mobilisieren, um die Freiheit und Unabhängigkeit der russ. Republik sicher- 
zustellen, die immer bereit ist, die Bestimmungen des Brester Vertrages
	        
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