Full text: Gesetzsammlung für das Fürstenthum Reuß Älterer Linie. 1856. (5)

— 355 — 
Darum sah man in vielen Landen eben sowohl alte, als neue Verfassungen, welche 
nur wenige Jahre vorher begründet und mit Jubel aufgenommen worden waren, 
ohne Weiteres niederreißen, ehe der Grund zu einem neuen Bau gelegt wa 
Ringo umgeben von solchen Bewegungen konnte Unser Land von denselben 
nicht unberührt bleiben; gleichwohl bewährte sich auch in dieser verhängnißvollen 
Zeit die biebe und Treue, welche die Landesbewohner seit bald einem Jahrtausend 
mit ihrem angestammten Regentenhause verbindet. Fern blieben sie jedem gewalt- 
samen Aufruhr, und wo sich dao Verlangen nach Veränderungen in ungeord- 
neler Weise kund that, waltete sichtbar auswärtiger Einfluß ob; auch von den we- 
nigen, welche sich solchen Bestrebungen hingaben, bestand die AMchzahn nicht in 
bandeseingebornen, sondern in eingebürgerten Ausländern. 
Eingedenk Unserer Regentenpslicht waren Wir enischlossen, jedem auf Umsturz 
des Bestehenden gerichteten Streben mit Festigkeit entgegen zu treten, aber gern 
bereit, die Wünsche Unserer getreuen Unterthanen zu vernehmen und zu prüfen. 
In diesem Sinne wiesen Wir entschieden das Verlangen zurück, die bestehende 
Verfassung sofort außer Wirksamkeit zu setzen und zu Errichtung einer neuen Ver- 
fallung eine Versammlung mit der Befugniß zu Fassung soelbstständiger Beschlüsse 
— einen constituirenden Landtag — zu berufen, bewilligten aber die Einberufung 
einer, aus Deputirten der in anerkannter Wirksamkeit bestehenden Landstände und 
freigewählten Abgeordneten der Stadt= und Landbewohner zusammengesetzten Ver- 
sammlung, um sich über die Errichtung einer neuen Verfassung mit Unsern Be- 
auftragten zu beratben und bis auf Unsere Genchmigung zu vereinbaren. Die Grenzen, 
worin sich diese Versammlung zu bewegen hatte, wurden in dem Einberufungsedict 
vom 4. Juni 1849 genau bezeichnet und namentlich alle Einmischung in die ei- 
gentlichen landständischen Geschöfte davon ausgeschlossen. Der Hinblick auf die 
Verhandlungen ähnlicher Versammlungen in manchen, besonders kleinen deutschen 
Staaten, auf die unheilbringenden, zum Thcil noch jehzt nicht ganz gelosten Wirren, 
welche daraus hervorgingen, muß jeden Unbefangenen von der Richtigkeit des von 
Uns eingehaltenen Verfahrens überzeugen. 
Der Berathungslandtag wurde den 25. Juni 1849 eröffnel. Konnte auch 
sein Gang von den Einflässen der damals noch wild bewegten Zeit nicht frei bleiben, 
so zeigte sich doch ein weit besserer Geist als der, welcher auf gleichzeitigen ähnlichen 
Versammlungen anderer Länder herrschte. Die anfänglich sehr überspannten An- 
sichten klärten sich nach und nach ab, und das frühere rücksichtslose Streben machte 
ruhiger Ueberlegung Plah; wesentlich trug dazu die Mitwirkung der Deputirten 
Unserer getreuen Ritter= und Landschaft bei, welche durch ihre besonnene und ein- 
sichtsvolle Haltung sich die Achtung und das Vertrauen der öbrigen Mitglieder der 
Versammlung erworben. 
55“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.