86 2. Buch. Die Organe der Staats= und staatlichen Selbstverwaltung.
8§ 20. Das Staatsministerinm. ) (Kronurat).
Sämtliche Minister (mit oder ohne „Portefeuille") bilden eine ein-
heitliche Behörde unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten als
„Staatsministerium“, oder dem des Königs als „Kronrat“
(seit Kaiser Friedrich III).
Das Staatsministerium bezweckt vor allem, die notwendige Einheit-
lichkeit in dem Regierungswillen und der Betätigung desselben in der
obersten Instanz herbeizuführen und anzubahnen. Die Tätigkeit des
Staatsministeriums ist teils eine beratende, teils eine beschließende.
Zur Beratung im Staatsministerium gelangen:
Alle Entwürfe zu neuen Gesetzen, Anordnungen allgemeiner Art
für den Staat, allgemeine Verwaltungsübersichten, Etatssachen rc.;
etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ministern werden
beigelegt bezw. entschieden, Vorschläge wegen Anstellung der Ober-
und Regierungspräsidenten, der Präsidenten der höheren Gerichte, der
Direktoren, der Oberforstmeister und der im Range gleichstehenden
Beamten (KO. vom 3. Juni 1814 und vom 3. November 1817
[GS. S. 289] VIII).
Als beschließende Behörde fungiert das Staatsministerium:
bei Einleitung der Regentschaft (Art. 57, 58 Vl.),
bei Erlaß von Notverordnungen (Art. 63 Vl.),
bei Verhängung des Belagerungszustandes,
als höchste Disziplinarinstanz bei nicht richterlichen Beamten.
bei Entscheidung über Einverleibung von Landgemeinden und Guts-
ezirken,
über den Antrag der Auflösung kommunaler Vertretungen.
Wahrnehmung des ius circa sacra.
Soweit das Staatsministerium als Beschlußbehörde tätig wird, ent-
scheidet es durch Mehrheitsbeschluß, wobei jedoch der Ministerpräsident
nur eine Stimme hat und nur primus inter pares ist.
Unmittelbar unter dem Staatsministerium stehen:
Das Zentraldirektorium der Vermessungen im preußischen Staat.
Der Gerichtshof zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten.
Der Disziplinarhof für nicht richterliche Beamte.
Das Oberverwaltungsgericht.
Die Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte.
Die Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen in Posen.
Der Ausschuß zur Untersuchung der Wasserverhältnisse in den der
Ülberschwemmungsgefahr besonders ausgesetzten Flußgebieten.
Das Literarische Bureau des Staatsministeriums, die Redaktionen
des Deutschen Reichs= und Königl. Preußischen Staatsanzeigers und
der Gesetzsammlung.
Speziell von dem Präsidenten des Staatsministeriums ressortieren:
Die Generalordenskommission und die Staatsarchive.
1) Vgl. Zorn, Staatsrechtl. Stellung des preußischen Gesamtministeriums.
Götting. 1892. v. Gneist. Verfassungsmäßige Stellung des preußischen Gesamt-
ministeriums, Berlin 1895. B. Hübler, Organisation der Verwaltung. § 15 S. 55 f.