Full text: Gesetzsammlung für das Fürstenthum Reuß Älterer Linie. 1858. (7)

G. 9. 
Das in Criminaljustizsachen in erster Instanz zu ertheilende Erkenntniß ist 
auf alle geringere mit zur Untersuchung gezogene Vergehungen, sowie auf die 
Bestrafung der ungleichen Theilnehmer, Gehülfen oder Begünstiger zu erstrecken. 
Findet in solchen Fällen gegen dieses erste Erkenntniß für einen oder den andern 
Betheiligten nach Maßgabe der auagesprochenen Strafe oder sonst die Oberberu- 
fung start, so soll dasselbe Rechtsmittel den übrigen Betheiligten auch wegen 
nicht zur Oberberufung geeigneter Punkte der Enescheidung offen stehen; außerdem 
wird für Alle, und wegen aller Erkenmtoifpungt ? die zweite Instanz nach den Be- 
stimmungen des §. 6 unter B. a. und b. gebil 
G. 10. 
Wenn der Untersuchungékostenaufwand in erster Instanz zu dem An- 
ktheile eines Angeschuldigten voraussichtlich den Betrag von fünfzig Thalern über- 
steigt, so soll in dieser Untersuchungssache für alle Betheiligten die Oberberusung 
nicht allein wegen der Kosten, sondern auch in der Hauptsache für statthaft 
geachtet und demnach das erste Erkenntniß nach den Bestimmungen des §F. 6 A. 
und D. von der Landesregierung, bezugsweise von dem Consistorium krtheilt werden. 
. 11. 
Es bleibt dem Ermessen der Landesregierung und des Consistorium#, sowie der 
Untergerichtsbehörden anheimgestellt, wenn sie das von ihnen zu ertheilende Urtheil 
selost zu fällen Bedenken tragen, in Civilsachen das Erkenntniß eines aus- 
wärtigen Spruchstuhls einzuholen und zu publiciren, in Criminalsachen 
aber die zu publicirende Entscheidung nach Maßgabe des von einem auswärtigen 
Spruchstuhle eingeholten und zu den Akten zu nehmenden Rechtsgutachtens zu 
fassen. Ein solches Rechtögutachten soll einem von einer aucwärtigen Juristenfacultär 
eingcholten Erkenntnisse der Sache nach völlig gleichgeachtet werden und namentlich 
in Bezug auf die Besiimmungen in F. 35 der Oberappellationsgerichtsordnung, Kraft 
hierdurch landeöherrlich ertheilter authentischer Auslegung, ausdräcklich gleichgesetzt 
sein. Die Untergerichte sollen jedoch die von ihnen nach auswärtigem Rechisgut- 
achten gesaßten strafrechtlichen Entscheidungen vor deren Publicakion, mit Beifügung 
des Gutachtens und der sämmtlichen Untersuchungsakten, ohne besondere Berichts- 
erstattung, an die Landeöregierung einsenden, welche dieselben nach genommener Ein- 
sicht in möglichster Beschleunigung zur Eröffnung zurückzustellen hat, sofern sie nicht, 
bei sich ergebender gesetzwidriger Gelindigkeit des Straferkenntnisses, den iscalischen 
Antrag auf Cassation desselben nach Maßgabe des F. 35 der Oberappellationsgerichts- 
ordnung einzuleiten sich veranlaßt findet.
	        
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