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überließ, so war dies in den Augen der Staats-
männer ein Notbehelf. Mit der Einführung der
Schulpflicht hatte der Staat seine Hand auf die
Schule gelegt; durch die Sorge für Ausbildung
und Besoldung der Lehrer, durch die allmähliche
Einwirkung auf Geist und Methode des Unter-
richts dehnte der Staat seine Herrschaft über die
Schule Schritt für Schritt aus und drängte den
Einfluß der Kirche unausgesetzt zurück. 1763 er-
ließ Friedrich d. Gr. das General-Landschul-
reglement. Es war von dem Berliner Prediger
Hecker ausgearbeitet und bestimmt in 26 Para-
graphen, daß alle Kinder vom 5. bis zum 13.
oder 14. Jahr die Schule besuchen sollen; vor-
zeitige Entlassung ist nur dann zulässig, wenn die
Kinder das für das Leben Notwendige erlernt
haben. Im Winter werden wöchentlich 30, im
Sommer 18 Unterrichtsstunden erteilt, Sonntags
ist eine Wiederholungsstunde für die noch unver-
heirateten Personen des Dorfes. Es folgen An-
ordnungen über das Schulgeld, die Bestrafung
der Schulversäumnisse, Prüfung und Anstellung
der Lehrer, Stundenplan, Schulbücher, Schul-
zucht, Kirchenbesuch der Kinder und die Schul-
inspektion. Diese wird von dem Geistlichen wahr-
genommen, der wöchentlich zweimal die Schule
besuchen und monatlich eine Konferenz mit den
Lehrern halten soll. Ahnliche Bestimmungen ent-
hält das von dem Saganer Abt Felbiger aus-
gearbeitete katholische Schulreglement für Schle-
sien, das 1765 als königliche Verordnung erschien.
War das Reglement von 1763 ein Akt des sum-
mus episcopus der evangelischen Kirche, so ging
das katholische Schulreglement aus der Macht des
Landesherrn hervor, der für sich auch die Kirchen-
hoheit in Anspruch nahm. Das General-Land-
schulreglement bildet die Grundlage der preußi-
schen Schulverfassung. Seine wesentlichen Be-
stimmungen sind in die spätere Gesetzgebung
aufgenommen worden. Die Durchführung der
beiden Schulreglements stieß auf große Schwie-
rigkeiten. „Landvolk und Adel, niedere und höhere
Stände legten durch ihre Lauheit die beabsichtigte
Schulreform lahm“ (Volkmer). Allenthalben
waren als Lehrer Hirten und Handwerker an-
gestellt, die kaum lesen, geschweige schreiben, viel
weniger Religionsunterricht erteilen konnten“
(Heppe). Daß unter Friedrich die Gründung der
ersten staatlichen Lehrerseminare erfolgte, sei hier
nur erwähnt. Da die in ihnen vorgebildeten Lehrer
nicht zureichten, sah sich Friedrich im Jahr 1779
zu der Verordnung genötigt, daß man geeignete
Invaliden als Schulmeister auf dem Land an-
stellen möge. Den nächsten Schritt auf dem Weg
zur Staatsschule bildet die Instruktion für das
neu errichtete Oberschulkollegium vom
22. Febr. 1787. Durch diese wird eine oberste
Aussichtsbehörde des Staats über die Schulen
geschaffen, der Staat nimmt das Recht der Schul-
aufsicht praktisch für sich in Anspruch. Es ent-
sprach durchaus dem bisherigen Gang der Ent-
Volksschulen.
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wicklung, wenn das Allgemeine Landrecht vom
5. Febr. 1794 alle Schulen als Veranstaltungen
des Staats erklärt, die seiner Aufsicht unterworfen
sind. Da Preußen durch die Erwerbung Schle-
siens und der polnischen Gebiete ein konfessionell
gemischter Staat geworden war, so spricht das
Allgemeine Landrecht die Gleichberechtigung
der anerkannten Kirchen aus; wegen Verschieden-
heit des Glaubens darf niemand der Zutritt in
öffentliche Schulen versagt, doch können Kinder,
die der in der Schule gelehrten Religion nicht an-
gehören, zum Religionsunterricht nicht angehalten
werden. Bezüglich des Schulzwangs werden die
früheren Bestimmungen wiederholt; die Schul-
unterhaltung soll vom Schulgeld möglichst unab-
hängig gemacht und als gemeine Last allen Haus-
vätern ohne Unterschied auferlegt werden. Sind
jedoch für die Einwohner verschiedener Glaubens-
bekenntnisse mehrere Schulen an einem Ort, so
steuern die Hausväter nur für die Schule ihrer
Konfession. Gneist spricht in Bezug auf das All-
gemeine Landrecht von einer Mediatisierung der
kirchlichen Regierung über die Schule. Die regie-
rende Kirche tritt über in die Stellung der an-
erkannten, welche ihren Religionsunterricht als
obligatorischen Teil des Unterrichtsplans in der
öffentlichen Schule festhält.
Ein allgemeiner Schulverbesserungsplan des
Justizministers v. Massow kam wie alle seiner bis-
herigen Nachfolger nicht zur Ausführung, dagegen
erfuhr das katholische Schulwesen Schlesiens durch
das Schulreglement für die niederen katholischen
Schulen vom 18. Mai 1801 eine für die da-
malige Zeit treffliche Reglung. Besonders wurde
die Schulunterhaltung und Lehrerbesoldung ge-
setzlich festgelegt. Deshalb konnte dem Lehrer jede
Nebenbeschäftigung ausdrücklich untersagt werden.
Hinsichtlich der Schulaufsicht bestimmt das Schul-
reglement, daß es nicht gerade notwendig sei, zu
Schulinspektoren die Erzpriester (Dechanten) zu
nehmen; die Hauptsache sei, daß der Schulinspek-
tor ein munterer, tätiger und in der Pädagogik
erfahrener Mann sei.
Der unglückliche Krieg gegen Frankreich be-
lebte das Interesse für das Schulwesen in mäch-
tiger Weise. Die Schule sollte eines der Rettungs-
mittel für den niedergebrochenen Staat werden.
Besondern Wert legte man auf die Ausbreitung
der Ideen Pestalozzis (1746/1827). Diesem
war es gelungen, den toten Mechanismus der
Schulen wirksam zu bekämpfen, nachdem alle
früheren Versuche, selbst die großarlige Tätigkeit
des Comenius, ohne nachhaltigen Einfluß ge-
blieben waren. Es entsprach dem damals herr-
schenden Grundsatz der Dezentralisation, daf-
durch die Städteordnung vom 19. Nov. 1808,
vor allem aber durch die Instruktion vom 26. Juni
1811 die Gründung von Schuldeputationen an-
geordnet und dadurch den Bürgern Einfluß auf
das Schulwesen gegeben wurde. Zu den Maß-
nahmen, die auf Förderung der Jugenderziehung