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Zweiten Kammer vom 30. Mai 1849 bestimmte Tag der all-
gemeinen Wahlen angesehen werden. Denn nur dieser ist von
Gesetzes wegen ein einheitlicher für die ganze Monarchie, während
die Nach- und Ersatzwahlen an verschiedenen Tagen stattfinden;
darüber aber, dass die Legislaturperiode einen für alle Abgeord-
neten einheitlichen Anfangspunkt hat, besteht eine Differenz der
Ansichten nicht.
Wenn nun die Gegner zur Begründung der Ansicht, dass
die Legislaturperiode am Tage des Zusammentritts beginne, an-
führen, dass sich die Abgeordneten nach preussischem Recht nie-
mals von selbst versammeln können, auch nicht bei schuldhafter
Unterlassung der rechtzeitigen Berufung mit dem Hinzufügen,
„sie sind vor ihrer Zusammenberufung (gemeint ist Zusammen-
tritt) kein Landtag und können keine Gesetze geben und Be-
schlüsse fassen“?, so liegt in dem ersten Teile des letzteren
Satzes kein Beweis, sondern die Wiederholung einer noch beweis-
bedürftigen Behauptung, während der erstere Satz schon deshalb
nicht passt, weil er auch auf das bereits berufen gewesene und
dann geschlossene, aber noch nicht zu einer ferneren Session
berufene Haus der Abgeordneten zutrifft, das auch Arnpr als
rechtlich vorhanden ansieht. Das Argument würde also zu viel
beweisen und deshalb nicht das, was der Begründung bedarf.
Die unstreitige Tatsache, dass sich die Abgeordneten nicht von
selbst versammeln und rechtswirksam Beschlüsse fassen können,
ist für die Entscheidung des vorliegenden Streitpunktes über-
haupt unerheblich; die Voraussetzungen für die Ausübung der
verfassungsmässigen Funktionen gehören einem andern Normen-
kreise an!®, das Recht zur Legislaturtätigkeit besteht ebenfalls
schon vom Tage der allgemeinen Wahlen ab, nur bedarf es
° Arnpr a. a. O.S.477. Vgl. auch in seinem Staatsrecht des Deutschen
Reiches (Berlin 1901) S. 130, sowie BoRNHAK, Preussisches Staatsrecht Bd. 1
(Freiburg i. B. 1888) S. 391£.
10 LaBanD a. a. O. S. 491.