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III.
Vorschriften für das Verhalten der Hebammen bei der
Angenentzündung der Ueugeborenen.
a) Die Augenentzündung der Neugeborenen zeigt sich oft schon in den ersien Tagen nach
der Geburt, bald auf einem Auge, bald auf beiden Augen. Das erste Zeichen der Krankheit ist
häufig die Verklebung der Augenlider im Schlaf. Weilerhin dringt gelber Schleim aus der Angen-
lidspalte hervor, die Augenränder rölhen sich, die Angeulider schwellen an und es enlleert sich nun
eine wässerige blunige oder eiterartige Flüssigkeit.
Wenn diese Krankheit nicht zeitig genug ärzilich behandelt wird, so geht die Entzündung
auf den Augapsel über und endet zuweilen schon nach wenigen Tagen mit unheilbarer Blindheit
oder Trübung des Sehvermögens.
) Die häufigste Ursache der Augenentzündung der Neugeborenen ist die Ansleckung der
Augen derselben mit den Schleimen der Geschlechtotheile solcher Kreißenden oder Wöchnerinnen,
welche au wund machendem weißen Flusse schon während der Schwangerschaft litten.
er auch der von den kranken Augen abgesonderte eiterige Schleim ist ansteckend und
wenn er unvorsichtiger Weise durch die Hände, oder durch zum Abwischen der Augen benuhler
Gegenstände an ein gesundes Auge gebracht wird, so kann hier dieselbe gesährliche Kranlheit ent.
sichen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern.
) Zur Verhütung der Krankheil hal die Hebamme die Pflicht, Schwangere, welche an
citerigem Schleimabgange leiden, auf die Gefahr, welche daraus für die Angen des Kindes entstehen
lönne, aufmerksam zu machen, damit zur Beseitigung des Uebels ärztlicher Nath von der Schwangeren
gesucht werde.
4) Sofort nach der Geburt hat die Hebomme die Augen des Kindes von allem an ihnen
hängenden Schleime sorgfältig zu reinigen.
ie Hebamme nimmt ein feines, weiches Leinwandläppchen, feuchtet es mit reinem lauen
Wasser an und wischt mil sansten Zügen von dem äußeren nach dem inneren Nasemwinkel die
Augenlider ab, bis dieselben rein erscheinen, vermeidet dabei aber jeden Druck. Ein Schwamm
darf zu dieser Reinigung nicht verwendet werden.
Nach Beendigung der Reinigung hat die Hebamme ihre Hände sorgsältig zu waschen und
1—2 Tropsen einer 2 /% Höllensteinlösung mittelst eines Tropsgläochens in die Augen des Kindes
Dineinfallen zu lassen, indem sie die unteren Augenlider elwas herabzieht; die überschüssige Flüssigkeit
wischt sie mit einem reinen Tuche ab. Dabei hat die Hebamme darauf zu achien, daß die Höllen-
steinlösung sich nicht zersetzt hal, was sic an der Trübung und dem flockigen Niederschlag erkennt;
ist dies geschehen, so muß die Lösung erneuert werden.
) Bemerkt die Hebamme in den ersten Tagen nach der Geburt in einem oder beiden
Augen des Kindes Zeichen der Krankheit, also Verklebung, Anschwellung, Röthung der Lider, so muß
unbediug#t der Arzt sofort geholt werden. Wenn auch nur wenige Stunden mit der Herbeirufung