Contents: Grundzüge der Verfassung des Deutschen Reiches.

66 III. Der Kaiser und der Bundesrat. 
wortlich, mag er ein Gesetz erlassen, einen Verwaltungsakt vor- 
nehmen oder die Gerichtsbarkeit ausüben. Die Bevollmächtig- 
ten find nur ihrem Bundesstaate dafür verantwortlich, daß sie 
den ihnen gewordenen Auftrag ausführen, aber ihre Auftrag- 
geber, die Landesherren, find für diesen Auftrag unverantwort- 
lich. Der Beschluß des Bundesrates ist nur der Beschluß der 
verfassungsmäßigen Mehrheit der rechtlich unverantwortlichen 
Inhaber der Landesgewalten. Im Reiche kann niemand, auch 
der Reichskanzler nicht, der als solcher überhaupt kein Stimm- 
recht im Bundesrate hat, für einen Beschluß des Bundesrates 
verantwortlich gemacht werden. Der Grundsatz der Minister- 
verantwortlichkeit ist im Reiche insoweit beschränkt, als Funk- 
tionen der Reichsgewalt nicht vom Kaiser, sondern vom Bundes- 
rate zu vollziehen sind. Nicht im Reiche, sondern nur in den 
einzelnen Staaten kann der Minister, der die Instruktionen, 
die dem Bevollmächtigten zum Bundesrate erteilt werden, gegen- 
gezeichnet hat, von dem Landtage hierfür nach Maßgabe der 
Landesverfassung verantwortlich gemacht werden. 
Die wichtigste Funktion des Bundesrates ist die der Ge- 
setzgebung. Der Bundesrat hat die Reichsgesetze zu erlassen. 
Freilich ist er hierbei an die vorhergehende Mitwirkung des 
Reichstages und die nachfolgende des Kaisers gebunden. Der 
Bundesrat kann kein Gesetz erlassen, dem nicht vorher der 
Reichstag seine Zustimmung erteilt hat. „Die UÜbereinstimmung 
der Mehrheitsbeschlüsse des Bundesrates und des Reichstages 
ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend“, wie 
Art. 5 Abs. 1 der Verfassung erklärt. Indessen ist, wie sich 
aus Art. 7 Ziffer 1 ergibt, in allen Fällen der Beschluß, 
durch welchen ein Gesetz sanktioniert wird, von dem Bundesrate 
zu fassen, nachdem der Reichstag dem Gesetzentwurf zugestimmt 
hat. Auch wenn der Entwurf von dem Bundesrate beschlossen 
und von dem Reichstage ohne eine jede Anderung angenommen 
worden ist, hat der Bundesrat, ohne durch seinen früheren 
Beschluß gebunden zu sein, in voller Freiheit den Beschluß, 
durch welchen der Entwurf sanktioniert wird, zu fassen. Er 
kann auch in diesem Falle die Sanktion verweigern, wenn etwa 
in der Zwischenzeit einzelne Regierungen ihren Bevollmächtigten 
andere Instruktionen erteilt haben. 
Sogenannte Notverordnungen oder Verordnungen mit pro- 
visorischer Gesetzeskraft, wie sie in den meisten Bundesstaaten
	        
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