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seinem jüngsten einschlägigen Erkenntnis °*, dass das Vereins-
gesetz von einem an Versammlungen zu übenden Ueberwachungs-
rechte des Staates überhaupt nicht spreche. Es lege dem Unter-
nehmer oder Vorsitzenden einer Versammlung fest umschriebene
Pflichten auf und der Ortspolizeibehörde besondere Zuständig-
keiten bei, deren gemeinsamer Zweck es sei, letzterer die
Kenntnisnahme von den Vorgängen in der Versammlung zu er-
möglichen. Die Massregeln dienten mithin jener gesetzlich ge-
regelten Ueberwachung, der in verfassungsrechtlicher Ermäch-
tigung Versammlungen gewisser Art unterworfen werden könnten.
Aber diese Ueberwachungsmassregeln stellten nicht ein eigenes Ho-
heitsrecht des Staates dar, welches als subjektives Recht den sub-
jektiven Rechten der Untertanen gegenüberträte; vielmehr seien
sie nichts anderes als die sich auf einem bestimmten Gebiete
vollziehende Betätigung der Polizeigewalt, vermöge deren der
Staat die Aufgabe habe, Störungen und Gefährdungen der öffent-
lichen Ordnung, die aus dem Verhalten der einzelnen — hier
aus der Ausübung des Versammlungsrechts — hervorgingen, ab-
zuwehren und zu verhüten. Der Umfang, in welchem die Polizei
befugt sei, bei Wahrnehmung der ihr anvertrauten öffentlichen
Interessen durch obrigkeitliche Verfügungen in die Einzelfreiheit
einzugreifen, sei ihr durch das öffentliche Recht — hier durch
die Vorschriften des Vereinsgesetzes — vorgezeichnet und könne
nicht nach dem Gesichtspunkte, dass kollidierende Rechte der
Behörden und.der Individuen in Frage ständen, abgemessen oder
abgewogen werden. Die Frage, ob im Einzelfalle das Ueber-
wachungs- oder das Versammlungsrecht das stärkere sei oder
ob sie beide als gleichartig erachtet werden müssten, sei gegen-
standslos.
Man wird in diesen Deduktionen des Oberverwaltungsgerichts
manches für missverständlich halten können und ihren Grund-
gedanken doch als berechtigt anerkennen müssen. Es ist sicher
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% Entsch. Bd. 43 S. 442 f.