Object: Gesetzsammlung für das Fürstentum Reuss Jüngerer Linie. Siebenundwanzigster Band. 1910-1911. (27)

Generaldebatte. Ackermann. 179 
fie an Verkümmerung für das Einigungswerk durch kleinere Rücksichten gegen 
die ganze Nation verschuldet haben. (Bravo!) 
Ackermann (Dresden)’): Meine Herren. Als im Jahre 1866 tramri- 
gen Andenkens Deutsche gegen Deutsche gekämpft hatten, war das siegreiche 
Prußen in der Lage, den ersten Grund zur nationalen Einigung Dentsch- 
lands zu legen. Ob dies in einer alle berechtigten Anschauungen befriedi- 
genden Weise geschehen ist, darüber sind seither die Meinungen getheilt ge- 
wesen. Der eine Tbeil der Staaten verlor damals seine ganze Selbststäu- 
digkeit, ein anderer Theil trat in einen Bund ein, der, wenigstens nach der 
Meinung Vieler, starke Ansäuee zum Einbeitsstaat au sich trägt und den 
man nur dann erträglich finden kann, wenn man ibn auffaßt als ein Pro- 
risorium, aus welchem sich bei erster Gelegenheit ein alle deutsche Stämme 
umfassender Bundesstaat mit einer starken emralgewalt nach außen im fö- 
derativen Sinne entwickeln werde. Die Südstaaten wurden damals nicht 
gezwungen, sich einem Bunde anzuschließen, der ihnen nicht zusagte. Wer sie 
in diese exemtionelle Stellung gebracht hat und bis in die neueste Gegenwam 
darin geschützt bat, darüber können wir schweigen: soriel steht aber doch 
sicher fest, daß sie diese Stellung nicht ibrem eigenen Verdienste zu verdanken 
hanen und daß sie nicht enwaige Erfolge aus jener Zeit für sich in Anspruch 
nehmen können, um setzt eine Sonderstellung für sich durchzusetzen. (Hört! 
Hör!) Der Nordbund begann seine Thätigkeit. Ob es ihm gelungen ist, 
in den wenigen Jahren des Friedens Aussöbnung zu verschaffen in den 
Staaten, die ihre Selbstständigkeit 1866 ganz verloren haben, darüber steht 
mir ein Urtheil nicht zu, das aber weiß ich, daß in den anderen nicht 
prrußischen Bundesstaaten Niemand — etwa mit Ausnahme derjenigen, 
welche ein kleines Vaterland der besonderen Liebe nicht werth erachten — 
zim vrollen Zufriedenbeit mit den bestehenden Verhältnissen gelangen konnte 
und daß alle guten Patrioten in der Ueberwindung der Mainlinie das Ziel 
ihrer Hoffnungen und Bestrebungen suchten. Trotzdem aber hat die kurze 
und lehrreiche Geschichte des Nordbundes dargethaun, daß alle Glieder der- 
selten ibre Pflicht treulich erfüllt haben, (Sehr richtig!) daß sie an den 
endlosen Arbeiten desselben zu ihrem Tbeile redlich sich betheiligt haben und 
daß jeder Staat im Interesse der Gesammtheit Sonderwünsche zu opfern 
bereit gewesen ist. (Sehr wahrt) Wenn mun auch, meine Herren, die Be- 
rölkerung der kleineren Staaten zu einem guten Theile eine Gegnerschaft 
gegen den Einheitsstaat, gegen die Befürchtung des preußischen Einheitsstaats 
gestellt hat, und wenn man hier und da auch diese Gegnerschaft unter 
schweren Vorwürfen des Partikularismus angeklagt hat, und wenn ich selbft 
um die Ehre bitte, in diesem Sinne mich den Partikularisten beizählen zu 
dürfen, — so denke ich, meine Herren, Sie werden doch auch ihnen Gerech- 
tigkeit widerfahren lassen, daß sie nicht daran gedacht baben, von abge- 
  
*) Slj. B. S. 86 r. o. 
17“
	        
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