Full text: Gesetzsammlung für das Fürstenthum Reuss Jüngerer Linie. Zwanzigster Band. 1883-1890. (20)

1. Von den Geseyen überhaupt. 57 
und findet die Anfrage an die Gesetzkommission "#7) — nicht mehr statt; er muß aber die vermeinte 
Dunkelheit des Gesetzes dem Chef der Justiz zum Behuf der künftigen Legislation anzeigen. 
§. 19. Findet der Richter kein Gesetz, welches zur Entscheidung des streitigen 
Falles dienen könnte, so muß er zwar nach den in dem Landrechte angenommenen 
allgemeinen Grundsätzen, und nach den wegen ähnlicher Fälle vorhandenen Verord- 
nungen, seiner besten Einsicht gemäß erkennen 7°5). 
64 ) (3. A.) Hier sind die Worte: „während des Laufes des Prozesses“, weggelassen; denn auch 
nach brendigtem Prozesse kann eine dergleichen Anfrage nicht vorkommen, weil eine Gesetzkommisston 
nicht miehr besteht. 
65) Der Mangel einer auf den dem Richter vorgetragenen Rechtsfall passenden Rechtsregel be- 
rechtigt den Richter nicht, die Entscheidung zu verweigern, vielmehr soll er die Lücke in der Gesetzge- 
bung durch Findung der passenden Regel aussüllen. Nach einer Meinung vieler Schriftsteller sollte 
der Stoff dazu aus einem allgemeinen, Über dem gegebenen Rechte stehenden Normalrechte, dem so- 
genannten Naturrechte genommen werden. Diese Meinung verwirft der §. 49, indem er vorschreibt, 
daß die Ergänzung aus dem positiven Rechte selbst geschehen soll. Man gebraucht in dieser Beziehung 
das Wort Aualogie. Was eigentlich damit bezeichnet werden soll, istt nicht ausgemacht. Einige ver- 
stehen darunter die geiftige Thätigkeit (das Suchen und Finden des Rechtssatzes), Andere den Grund 
des gesundenen Rechtssatzes (die Aehnlichkeit), Andere den gefundenen Rechtssatz selbst (lInfeland in 
Praecoguit. jur. 56. 53: Analogis Juris est regula Juris, non ex verbis, sed ox ratione legis do- 
ducta); v. Savigny, S. 391, neunt so das Berhältniß des gefundenen Rechtssatzes zu dem gegebe- 
neu positiven Rechte. Andere (Glück I, S. 263) beziehen den Ausdruck nicht auf die Rechtsregel, 
sondern auf die Emtscheidung eines unentschiedenen Rechtessalles. Mir erscheint die Analogie als das 
Mittel zur Findung des ergänzenden Rechtssatzes, nach einem gegebenen Muster. 
Die Rechtsfindung soll „nach den in dem Landrechte angenommenen allgemeinen Grundsätzen, 
und nach den wegen ähnlicher Fälle vorhandenen Verordnungen“ geschehen. Jene, die allgemeinen 
Grundsätze, kommen in Betracht, wenn in einem bekannten Rechtsinstitute einzelne Rechtsfragen un- 
entschieden gelassen worden sind: diese sind nach den Grundsätzen dieses Rechtsinstituts und deren in- 
nerem Zusammenhange zu beantworten. Die „Verordnungen wegen ähulicher Fälle“ werden zu Vor- 
bildern genommen, wenn ganz neue Rechtsderhälknisse enkstehen und Rechtsstreitigkeiten veranlassen: 
3 wird ein innerlich verwandtes Rechtsiustitut (ähnlicher Fall), unter den bereits bekannten, ausge 
ucht und zum Mustier der Nachbildung genommen. Bei der Analogie wird allemal von einem Ge- 
gebenen ausgegangen. Ist dies ein einzelnes Gesetz, so heißt es: man argumentire ex ratione legis 
(Entscheidung ex arguwento legis); sind es abstrahirte Rechisgrundsätze, so spricht man von argumenta 
a consequentia. In allen Fällen untauglich zur Analogie aber siud absolute Vorschriften. Ausnahm- 
esehe oder Gesetze, welche von dem regelmäßigen Rechte aus besonderen Gründen abgehen; denn es 
Holen nur die „angenommenen allgemeinen Grundsätze“ leiten. Vergl. L. 14 D. de leg. (1, 3); 
A. L. R. II, 2, §§. 410, 415; Kone-. S. 488. 
((4. A.) Das Obertr. hat die Vorschrift des 8. 49 auch auf den Fall, wenn nicht die Borschriften 
des A. L.R., sondern fremde Landesgesetze zur Anwendung kommen, — ein Fall, für welchen die Vor- 
schrift §. 49, nach der vorstehenden Darlegung, nicht gegeben ist — angewendet. Erk. vom 11. Okt. 
1860 (Arch. f. Rechtss. Bd. XXXVIII, S. 5os). Dasselbe sagt selbst, daß der §. 49 den Mangel 
einer anwendbaren gesetzlichen Bestimmung des preußischen Rechts vor Augen habe, daß jedoch das 
darin ansgesprochene allgemeine Princip, der Intention des Gesetzgebers gemäß, unzweifselhaft (2) 
auch auf denjenigen Fall anzuwenden sei, in welchem es sich um die dem Richter mangelnde Kennt- 
niß eines ausländischen Gesetzes handelt, das Verselbe nicht kennt. Damit soll der §. 53, I. 10 der 
A. G.O. im Einklange stehen, indem derselbe verordne, daß, wenn über ein nach fremden Landesge- 
setzen zu beurtheilendes Geschäft gestrimen wird, und es darauf ankommt, was diese Gesetze für den 
vorliegenden Fall verordnen, dartlber so, wie über eine andere Thatsache, Beweis ausgenommen wer- 
den müsse; daß es biernach unzweiselhaft (?) Sache derjenigen Partei sei, die sich auf ausländisches 
Recht beruft, dem Richter den Beweis zu führen und zu liefern, daß und in wiesern die Gesetze des 
Auslandes Abweichendes von der preußischen Gesetzgebung bestimmen. Oieraus wird nun der Schluß 
gezegen daß es nicht Sache des Klägers war, seinen Anspruch, sondern Sache des Beklagten, seine 
inrede von der mit Ausschluß der preußischen Gesetze zur Anwendung kommenden fremden (hier rus- 
sischen) Gesetzgebung näher zu fubstantiiren. Die Ausführung leidet am Mangcek aller juristischen Be- 
gründung und logischen Folgerichtigkeit; die Konklusion macht Sprünge. Der §. 4 d. T. paßt gar 
nicht auf diesen Fall, die Anwendung ist eine Nichtigkeit im Sinne des §. 4 der V. v. 14. Dez. 1833; 
der §. 53 der A. G.O. steht mit dem §. 49 d. T. gar nicht in Beziehung, noch weniger im Einklange, 
er bestimmt über die Beweispflicht nichts, folglich ist die daraus gezogene Konklusion unschlllssig. Die 
Beweispflicht muß nach den allgemeinen Grundsätzen, auch nach diesem §. 53, regulirt werden. We- 
der aus dem s§. 58, noch aus einem anderen bekannten Rechtsgrundsatze ist herzuleiten, daß, wenn aus 
einem nach fremden Rechten zu beurtheilenden Rechtsverhältmisse zu klagen ist, der Kläger seine Klage 
 
	        
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