Bon Gewahrsam und Besitz. 327
§. 58. Durch Uebergabe 27) wird der Ssstt erlangt, wenn der bisherige Besi-
fer einer Sache sich derselben zum Vortheil eines Andern entschlägt, und dieser den er-
edigten Besitz ergreift #).
§. 59. Die bloße Willenserklärung des bisherigen Besitzers ist hinreichend, den
Besitz einer Sache zum Vortheil eines Andern zu erledigen, in sofem dieser dadurch in
den Stand gesetzt wird, über die Sache zu verfügen 25).
27) Die Uebergabe hat die rechtliche Natur eines Bertrages, deun sie hat alle Merkmale des Be-
griffs vom Bertrage: eine (auf gegenwärtige Uebertragung des Besitzes gerichtete) Willenserklärung
mehrerer einander gegenüberstehender Personen zur Begründung oder Aenderung eines Rechtsverhält-
nisses derselben. Anm. 1 zu §. 1, Tur 5. Deshalb verlaugte Suarez auch die Beobachtung der
allgemeinen Form der Verträge, d. b. schriftliche und deziehlich gerichtliche oder notarielle Abfassung der
Erklärung; doch fiel sein Vorschlag bei der Beratdung. In die §§. 70 und 71 hatte er, in Ucberein-
stimmung mit seinem Vorschlage, die Worte „auf eine rechtsbeständige Weise“ und „rechtsgültig“ ein-
schaltet, welche wieder hätten Frichen werden sollen, als sein Vorschlag abgelehnt wurde; sie blie-
iln aber aus Versehen stehen. imon, Material., S. 238, 244 — 246 und 610. — Der schrift-
lichen Form bedarf es nicht, weil die Uebergabe au sich selbst eine rechisglilltige Form — ein Realver-
trag — und gewöhnlich die Erfüllung einer vorgängigen Berbindlichkeit ist, in sofern also mit der Zah-
lung auf gleicher Linie steht.
28) Die Erklärung (Anm. 27) genügt zur Vollziehung der Uebergabe nicht, vielmehr muß zur voll-
ständigen Tradirion noch eine zwiesache äußere Handlung hinzutreten, und zwar von Seiten des Gebers die
Loslassung oder Freistellung der Sache, wenn sie noch nicht vorhergegangen ist (s. 59), und von Sei-
ten des Erwerbers die körperliche Besitzergreifung. Die eine ohne die andere stellen keine Uebergabe
dar, wenngleich unter Umständen die zweite Handlung allein geeignet ist, den Besitz zu erwerben, wie
nr bei der Okkupation, oder bei einer legirten Sache, welche der Legatar mit Erlaubniß des Erben,
selbst den Besitz der Erbschaft noch nicht ergriffen hat, in Besitz nimmt. Vergl. die S§. 62 bis 65
und die Anm. dazu.
29) Der §. 59 ist von dem §. 58 nicht zu trennen. Er spricht bloß von dem ersten der beiden
nach §. 58 zur Erlangung des Besitzes durch Uebergabe gesetzlich nothwendigen Erfordernisse, nämlich
von der Emschlagung des Besitzes seitens des bisherigen Besitzers; und es reicht daher, außer den
beiden, in den §§. 69 u. 71 bemerkten Fällen, zur Erlangung des Besitzes durch Uebergabe die im
8. 59 bemerkte Willenserklärung des bisherigen Besitzers nicht hinu, sondern es muß auch noch der Akt
der Besitzergreifung von Seiten des neuen Besitzers hinzukommen, um ihn in den Stand zu setzen,
Über die Sache zu versügen. Nur durch eine derartige Besitzergreifung wird, bei einer Uebergabe durch
bloße Willensäußerung, das Eigenthum einer Sache erworben, und die Klage auf Herausgabe der
Sache gegen einen dritten Besitzer begründet. Pr. des Obertr. 528, v. 22. Sepibr. 1855 (Entsch.
Bd. IX. S. 179). Eine Anwendung hiervon macht das Erk. v. 7. März 1856 (Arch. f. Rechtsf.
Bd. XX. S. 253) auf die Possessorienklage, welche gleichfalls abgesprochen wird. Auch ein Erk. vom
6. Oktober 1854 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XV., S. 76) spricht sich im Sinne jenes Pr. 528 aus. — Um
dem Erfordernisse der Besitzerledigun 8 auf Seiten des alten Besitzers, wovon lediglich der g. 59
dandelt, zu genügen, ist die persönliche Gegenwart desselben in der Nähe der Sache nich nothwendig;
es ist binreichend, daß er den Erwerber an den Ort der Sache schickt und ihm erlaubt, solche für sich
zu nehmen. Der Anfang des Besitzes ist hier der Zeitpunkt, wo der Besitz körperlich ergriffen wird.
§5. 109. Ist die Sache in Gewahrsam eines abwesenden Dritten, so ist eine schriftliche Auweisung des
Besitzers an diesen erforderlich. In diesem HKalle wird die Besitzübertragung, durch Ausstellung der
Anweisung, für vollendet angenommen, sobald diese Anweisung dem neuen Besitzer eingehändigt ist.
Der Vorzeigung derselben bei dem dritten Inhaber oder sonstiger Benachrichtigung desselben bedarf es
nicht. Pr. des Obertr. 1713, vom 21. Februar 1846 (Emsch. Bd. XII, S. 172). — Bergl. S. 67.
(4. A.) Zum Beweise der erfolgten llebergabe verkaufter Gegenstände ist das im Vertrage abge-
gebene Anerkenntniß der Komrahenten, daß die Uebergabe geschehen sei, nicht genügend, sagt das Erk.
des Obertr. vom 13. Juli 1852 (Arch. f. Rechtsf. Bd. VI. S. 261). Unter den Kontrahenten selbst
wird es doch wohl soviel beweisen, daß der bestreitende Theil den Gegeubeweis führen muß. Anm. 41.
(4. A.) Zum Nachweise der Uebertragung des Besitzes der von dem Ehemanne an die Frau ver-
kanften Sache genügt das in der Urkunde enthaltene bloße Bekenntniß, daß die Uebergabe bereits er-
solgt sei, und die Käuferin sich in dem Besitze der erkauften Sache befinde, nicht. Erk. dess. v. 4. u.
11. Mär 1853 (Arch. f. Rechtef. Bd. 1X, S. 39).
(4. A.) Zum Beweise der erfolgten Uebergabe der verpfändeten Sache ist das in deim Vertrage ab-
gegebene Anerkenntniß der Kontrabenten, daß die körperliche Uebergabe geschehen sei, dann nicht genü-
end, wenn die festgestellten faktischen Umstände mit jener Erklärung nicht zu vereinigen sind. Erk.
* vom 24. März 1854 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XII, S. 281). 6 "
(. A.) Das in einem Vertrage enthaltene Bekenntniß der geschehenen, wirklich aber nicht gesche-
-
Durch
Uedergabe.