Object: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

138 „BERNHARD, PRACHTKERL* 
halten. Der Effekt derselben ist gewesen, daß der wie ein großer Teil unserer 
Fürsten und Völker völlig nichts ahnende und verstehende Großherzog so 
überrascht gewesen ist von der Kleinheit der Forderung, dem entsetzlichen 
Zustand der aktuellen Lage und der nationalen Notwendigkeit des Durch- 
gehens dieses Gesetzes, daß er ein glühender Verfechter Meiner durch 
Tirpitz in Praxis umgesetzten Ideen geworden ist. Der Admiral kam mit 
der Message von Onkel an mich, daß er erfüllt sei von der Richtigkeit 
meiner Pläne und mit seiner ganzen Person uns in dem ‚Kampf um die 
Flotte‘ (sic!) beistehen und helfen wolle. Er werde die badische Presse 
dirigieren, er werde aber noch mehr, ‚sämtlichen Reichsfürsten‘ 
ungesäumt klarmachen, daß es ‚ihre Pflicht und Schuldigkeit‘ sei, den 
Kaiser hierbei zu unterstützen. Und sollte das dadurch in Erscheinung 
treten, daß sämtliche Bundesratsgesandten im Parlamente energische 
Erklärungen abgeben sollen, welche demselben jeden Zweifel darüber be- 
nehmen sollen, daß die vereinigten Fürsten nicht hinter dem Kaiser 
stünden!! Jagemann werde dahin instruiert! Tirpitz geht von hier nach 
Friedrichsruh, um mit dem ‚alten bösen Mann‘ wegen des Stapellaufes zu 
sprechen, von da nach München, Stuttgart, Darmstadt, um auch dort 
Vorträge an die Fürsten zu halten und dieselben zu orientieren; Onkel Fritz 
hat ihm überall Empfehlungen mitgegeben und will auch für die Besuche 
das Terrain vorbereiten. 
So weit Tirpitz und die deutschen Fürsten. Du siehst daraus, wenn solche 
Fürsprache in Aussicht steht, ich meinen Schnabel natürlich halten und nur 
zum Essen und Trinken und Rauchen benutzen werde! Welch herrliche 
Saat fängt an aufzugehen und welcher Lohn Gottes für alle die Mühen und 
Sorgen und den Kummer, den ich auf diesem Gebiet gelitten habe. Was 
nun die Behandlung der Marine im Ministerium betrifft, so ist im allge- 
meinen Einigkeit da! Aber noch eine große Portion Angst vor Kämpfen und 
vor Abgeordneten etc. Der größte Angstmeier ist zu Meinem größten 
Kummer der aalglatte Miquel! Und hat sich dieser von Charakter an ein 
Rohr erinnernde Herr so weit hinreißen lassen, daß er gestern in ‚Nord- 
deutsche‘ und ‚Post‘ einen gegen die — der Außenwelt und (im Detail) auch 
den Kollegen noch unbekannten — Vorlagen Tirpitz’ inspirierten Artikel 
losgeschossen hat. Das hat ein scharfes Telegramm des letzteren an Hohen- 
lohe zur Folge gehabt und einen geharnischten Befehl an die ‚Norddeutsche‘, 
sich nicht nochmal zu unterstehen, als Regierungsblatt solche Streiche aus- 
zuspielen. Zudem hat Bernhard (Prachtkerl!!!) umgehend Auswärtiges 
Amt und Presse eins auf den Kasten gegeben, und insbesondere hat er 
es übernommen, dem ‚charaktervollen‘ Vizepräsidenten Meines Staats- 
ministeriums einige Freundlichkeiten von Mir zu sagen und ihm gehörig 
auf den Deckel eins zu geben. Er ist sogar ermächtigt, dem Ministerium zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.