Full text: Gesetzsammlung für das Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt. Zweiunddreißigster Jahrgang. 1871. (32)

50 1871. 
8. 4. 
Außer der Führung des Gefangenen während der Dauer der Haft sind die 
Lebensverhältnisse in Betracht zu ziehen, denen derselbe nach der Entlassung ent- 
gegengeht. Insbesondere ist zu prüfen, ob und in welcher Art derselbe an dem 
Orte, nach welchem die Entlassung erfolgen soll (Entlassungsort), Unterkommen 
und Gelegenheit zu ehrlichem Erwerbe zu finden Aussicht hat. Die Strafanstalts- 
vorstände sind verpflichtet, in dieser Beziehung eine specielle Erörterung, und, soweit 
erforderlich, ihre Vermittelung eintreten zu lassen, insbesondere auch sich zu diesem 
Zwecke mit den betrefsenden Polizei= und Gemeindebehörden, sowie nach Ermessen 
mit achtbaren Privatpersonen an dem Entlassungsorte oder in der Nähe desselben 
in Verbindung zu setzen. 
Die Entlassung ist nicht in Ankrag zu bringen, wenn die Verhältnisse, in 
welche der Gefangene an dem Entlassungsorte eintreten würde, zu der Besorgniß 
Anlaß geben, daß derselbe dadurch in ein ungcordnetes oder verbrecherisches Leben 
werde zurückgeführt werden. 
8. 5. 
Der Antrag des Strafanstaltsvorstandes auf vorläufige Entlassung eines Straf- 
gefangenen ist an das Kreisgericht, bei welchem die Untersuchung geführt worden, 
zu richten und nach Mahgabe der §§. 2 bis 4 eingehend zu motiviren. Dem 
Antrage ist eine motivirte Erklärung der Konferenz der Anstalts-Oberbeamten, 
oder, wo eine derartige Einrichtung nicht besteht, des Anstaltsgeistlichen beizufügen. 
8. 6. 
Das Kreisgericht hat den Antrag des Strafanstaltsvorstandes unter Beifügung 
der Untersuchungsakten mit gutachtlichem Bericht an das Ministerium einzusenden. 
Die Entscheidung des lehteren wird hiernächst durch Vermittelung des Kreisgerichts 
dem Strafanstaltsvorstande mitgetheilt. 
S. 7. 
Die vorläufige Entlassung ist nach deren Genehmigung durch das Ministerium 
von dem Strafanstaltsvorstande unverzüglich zur Ausführung zu bringen, insofern 
diesem nicht etwa in der Zwischenzeit Umstände bekannt geworden sind, welche dem 
Antrage auf Entlassung entgegengestanden haben würden. In diesem Falle hat 
der Strafanstaltsvorstand dem Kreisgerichte zur weiteren Veranlassung sofort Mit- 
theilung zu machen.
	        
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