1887. —
II. Besondere Vorschriften für einzelne Galtungen von Grfangenen.
8. 30.
1. Besondere Vorschriften Über die Behandlung der untersuchungs-
Gesangenen.
Untersuchungsgefangene sind mit steter Berücksichtigung des Umstandes zu be-
handeln, daß ihre Schuld noch nicht feststeht.
Es dürfen deshalb denselben nur solche Beschränkungen auferlegt werden,
welche zur Sicherung des Zweckes der Haft und zur Aufrechterhaltung der Ordnung
im Gefängnisse nothwendig sind.
Bequemlichkeiten und Beschäftigungen, die dem Stande und den Vermögens-
verhältnissen des Untersuchungsgefangenen entsprechen, darf er sich auf seine Kosten
verschaffen, soweit sie mit dem Zwecke der Haft vereinbar sind und weder die Ord-
nung im Gefängnisse stören, noch die Sicherheit gefährden.
Fesseln dürfen im Gefängnisse dem Untersuchungsgefangenen nur dann an-
gelegt werden, wenn es wegen besonderer Gefährlichkeit seiner Person, namentlich
zur Sicherung Anderer erforderlich erscheint, oder wenn er einen Selbstentleibungs-
oder Entweichungsversuch gemacht oder vorbereitet hat.
Bei der Hauptverhandlung soll er ungefesselt sein.
Die nach Maßgabe vorstehender Bestimmungen erforderlichen Versügungen hat
der Untersuchungsrichter zu kreffen, die in dringenden Fällen von anderen Beamten
getroffenen Anordnungen unterliegen der Genehmigung des Untersuchungsrichters
(St.P. O. S. 110).
Untersuchungsgefangene können zur Arbeit nicht gezwungen werden; die frei-
willige Betheiligung an den in der Anstalt eingeführten Arbeiten ist ihnen nur mit
Genehmigung des Untersuchungsrichters zu gestatten.
Den Untersuchungsgefangenen ist auf Wunsch die eigene Kleidung und Wäsche
zu belassen, sofern dieselbe ausreichend, reinlich und ordentlich ist; im entgegen-
gesetzten Falle wird ihnen Hauskleidung verabfolgt, es ist jedoch dafür Sorge zu
tragen, daß sie auf Verlangen des Untersuchungsrichters in denjenigen Kleidern vor-
geführt werden können, welche sie bei ihrer Verhaftung getragen haben.
Den Untersuchungsgefangenen ist die Selbstbeköstigung nach Maßgabe des
8. 18 gestattet; im Falle des Mißbrauchs kann die Ermächtigung dazu entzogen
werden.
Fürstl. Schwarzb.-Rudolsl. Gesetzsammlung. XVIII. 3