Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

188 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. g 23. 
  
Beschränkungen der Verfügungsgewalt des Königs kämen in- 
sofern in Betracht, als er bei gewissen Verträgen um ihres besonderen Inhalts willen 
gebunden ist, die Zustimmung der Stände einzuholen. Es wird aber vom Standpunkt 
des Völkerrechtes aus — der Sicherheit des Verkehrs zuliebe — behauptet werden können, 
daß die Gültigkeit des Vertrages und seine verpflichtende Wirkung für den Staat von der 
Erfüllung dieser Bedingung nicht abhängt, es sei denn, daß sie ausdrücklich gesetzt worden 
wäre.") Dementsprechend werden auch die Bestimmungen der Verf.-Urk., welche die 
Verfügungsmacht des Königs ausdrücklich beschränken (§2 wegen Gebietsabtretung, § 18 
wegen Staatsgutsveräußerung), richtiger so aufzufassen sein, daß sie dem völkerrecht- 
lichen Vertrag gegenüber nur den Besitzstand des Staates wahren wollen: der Vertrag 
selbst mag bestehen, nur die Durchführung erfordert ständische Zustimmung. Für den 
in der Verf.-Urk. nicht vorgesehenen, in der Wirklichkeit aber weitaus wichtigsten Fall, 
daß nach den allgemeinen Grundsätzen über den Herrschaftsbereich des Gesetzes die 
Durchführung des Vertrages ohne ein solches nicht geschehen kann, ist diese Lösung ganz außer 
Zweifel. 
Ein Staatsvertrag, der ohne Rücksicht auf diese Schranken abgeschlossen würde, hätte 
also eine Störung der staatsrechtlichen Ordnung nicht von selbst zur Folge: die Stände 
bleiben frei, ihre Zustimmung zu versagen und dadurch seine Durchführung rechtlich zu 
hemmen. Aber tatsächlich käme der Staat dadurch in höchst bedenkliche Lage dem Aus- 
lande gegenüber und daraus würde wieder für die Stände ein Zwang erwachsen, dem 
sie nicht ausgesetzt werden dürfen. Für den König ist es Gewissenspflicht, es nicht darauf 
ankommen zu lassen, die Minister stehen dafür ein mit ihrer rechtlichen Verantwort- 
lichkeit. 5) 
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und des Kultus vom 18. Febr. 1865, veröffentlicht durch Verordnung des Kultusministeriums 
vom 15. März 1865 (Ges.= u. Verord.-Bl. S. 111); Übereinkunft mit der Hannoverischen Regierung 
wegen Kosten von Regquisitionen in Rechtssachen, Erklärung des Min. d. auswärt. Angeleg. und 
der Fali- veröffentlicht durch Verordnung des letzteren vom 8. Aug. 1865 (Ges.= u. Verord.-Bl. 
S. 584 ff.). 
Während in diesen Fällen einseitig die Erklärung des sächsischen Ministeriums veröffentlicht 
wird, der natürlich eine vorgängige Abmachung durch gemeinsam unterzeichnete Urkunde zu- 
grunde liegt, ist es in anderen Fällen diese Abmachung selbst, die veröffentlicht wird mit 
dem Bemerken, daß sie inzwischen „durch Ministerialerklärung ratifiziert" worden sei. So 
namentlich bei vertragsmäßiger Auseinandersetzung gemischter Grenzparochien: Verordnung des 
Kultusministeriums vom 6. Okt. 1865 zur Veröffentlichung des von der bestellten Kommission 
gezeichneten, inzwischen vom König genehmigten und durch Ministerialerklärung ratifizierten 
„Rezesses“ zwischen Sachsen und Preußen (Ges.= u. Verord.-Bl. S. 607 ff.). Ahnlich Bekannt- 
machung des Kultusministers vom 6. April 1899 (Ges.= u. Verord.-Bl. S. 102), Verordnung des 
Kultusministers vom 1. Sept. 1905 (Ges.= u. Verord.-Bl. S. 188 ff.). Ein anderes Beispiel unten 
Note 9. 
4) Darüber Nippold, Der völkerrechtl. Vertrag S. 127 ff.; Triepel, Bölkerrecht 
und Landesrecht, S. 111 ff. 
5) Die Schriftsteller des Sächsischen Staatsrechtes wollen meist auch die Gültigkeit der Staats- 
verträge an sich in gewissem Maße von der Zustimmung der Stände abhängig machen. Über dieses 
Maß sind sie nicht einig. Am bescheidensten ist Grünler, Beiträge S. 69, der eine solche nur 
im Falle von Verf.-Urk. & 2 verlangt, im übrigen auf die „indirekte Mitwirkung“ verweist, die da 
eintritt, wo ein Gesetz zur Ausführung des Vertrages nötig sein wird. Milhauser, 
Staats-R. I S. 131 Note 5, fügt noch Verf.-Urk. §& 5 als solche Gültigkeitsschranke hinzu. 
Opitz, Staats-R. 1 S. 169 Note 7, meint: Grünler hätte mindestens auch noch Verf.-Urk 
518 Abs. 1 nennen müssen; darüber hinaus will er aber die Gültigkeit der Verträge überall von 
der Zustimmung der Stände abhängig machen, wo dabei „Gegenstände in Frage kommen, welche 
unter die ständische Kompetenz fallen“ (S. 168) — also, wo zur Ausführung ein Gesetz nötig wärec. 
Denn „die Handlungsfähigkeit und Rechtssphäre (des Staatsoberhauptes) ist völkerrechtlich keine 
andere als die staatsrechtliche“ (S. 169 Note 8). Dies letztere dürfte — trotz etwas gedämpfter
	        
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