Metadata: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Die Grundsätze 
des Achtens. 
Die Grundsätze 
des Teilnehmens. 
Die Grundsätze 
des richtigen 
Rechtes als 
methodische 
Richtlinien. 
50 RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft. 
Weise des Urteilens, die hier Platz zu greifen hat, für sich erst einmal zu 
erwägen. 
Nun ist in dem Gedanken der ‚„Menschengemeinschaft‘‘ zweierlei gelegen: 
die Richtung der Gemeinsamkeit derZwecke und der Hinweis auf Menschen 
als vernünftige Wesen, als Selbstzwecke. Man kann in dieser Weise den 
idealen Grundgedanken alles sozialen Lebens auch als den einer Gemein- 
schaft von Selbstzwecken bezeichnen. Es sind nur zwei Ausstrahlungen 
einer und derselben Idee, wenn die Sprüche nebeneinander stehen: ‚Einer trage 
des andern Last‘‘, und doch wieder „Ein jeder wird seine eigene Last tragen‘, 
Die methodische Form dieser Gedankenrichtungen nenne ich die Grund- 
sätze des richtigen Rechtes. Sie lauten dahin: 
I. Die Grundsätze des Achtens: a) Es darf nicht der Inhalt eines 
Wollens der Willkür eines anderen anheimfallen. b) Jede rechtliche Anforde- 
rung darf nur in dem Sinne bestehen, daß der Verpflichtete sich noch der Nächste 
sein kann. — Diesen Formeln ist das gemeinsam, daß der Sinn eines rechtlichen 
Gebotes nicht der sein darf, daß der einzelne Gemeinschafter den bloß sub- 
jektiven Zwecken des anderen alles opfere, daß er ‚müssen muß‘ und per- 
sönlich begrenzte Ziele jenes als sein letztes Gesetz zu erachten habe. 
Es zeigt sich diese formale Gedankenrichtung einmal in der Frage des Be- 
stehens einer bestimmten Verpflichtung — anzuwenden zum Beispiel in der 
Begrenzung der Vertragsfreiheit, die nicht ‚gegen die guten Sitten‘ sein soll — 
und sodann in der des Ausführens von Rechtsverhältnissen — beispielsweise 
in dem Satze, daß der Schuldner die Leistung ‚nach Treu und Glauben‘‘ zu 
bewirken habe. 
2. Die Grundsätze des Teilnehmens: a) Es darf nicht ein rechtlich 
Verbundener nach Willkür von der Gemeinschaft ausgeschlossen sein. b) Jede 
rechtlich verliehene Verfügungsmacht darf nur in dem Sinne ausschließend 
sein, daß der Ausgeschlossene sich noch der Nächste sein kann. — Diese Sätze 
bringen zum Ausdruck, daß das rechtliche Gebot, das die Einzelnen zu einem 
gemeinsamen Kampfe um das Dasein vereinigt, seiner Idee nicht untreu wer- 
den darf. Es würde aber in einen Widerspruch mit seinem idealen Grundge- 
danken geraten, wenn es zu gleicher Zeit den Einzelnen dem sozialen Zusammen- 
schlusse zwangsweise unterwürfe und ihn doch im besonderen Falle als einen 
solchen behandelte, der ausschließlich rechtliche Pflichten hätte. Die Fälle 
der Not, in denen ein Gemeinschafter doch wieder vereinzelt dem Ringen um 
sein Bestehen überlassen werden würde, führen in die konkret anwendende 
Fragestellung für unsere Grundsätze hinein, die sich dann bis in die kleinsten 
Einzelheiten des rechtlichen Verkehrs, etwa in den Zweifeln über die Gültig- 
keit gewisser Konkurrenzklauseln oder die Zulässigkeit von Verrufsberedungen 
verzweigend äußert. 
In jedem Falle muß nun das Mißverständnis fern bleiben, als ob die Grund- 
sätze des richtigen Rechtes selbst wieder juristische Paragraphen wären, 
daß sie eigene, allgemeingültige Rechtssätze bedeuteten. Sie sind nichts, 
als methodische Richtlinien für die Auswahl unter mehreren rechtlichen
	        
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