fullscreen: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

612 
vom 1. Aug. 1909 (GS. 691) trifft bei Amts- 
pflichtverletzungen von Standesbeamten die Ver— 
antwortlichkeit den Staat, nicht den Kommunal- 
verband; s. den Art. Haftung für Be- 
amte. Vgl. auch die Vf. vom 11. Aug. 1910 
(Ml. 217), betr. Hinweisung der Standesbe- 
amten auf das vom Allgemeinen Deutschen 
Sprachverein ausgestellte Verzeichnis der in 
Deutschland gebräuchlichen Vornamen. Die 
Kostenfreiheit der gerichtlichen Verhandlungen 
in Personenstandssachen erstreckt sich nicht auf 
das Verfahren in höherer Instanz ((KGJ. 39 
B 18). 
II. Die Aufsicht über die Amtsfüh- 
rung der Standesbeamten wird von 
der unteren Verwaltungsbehörde, in höherer 
Instanz von der höheren Verwaltungsbehörde 
geübt, in Preußen für die Landgemeinden und 
Gutsbezirke von dem Landrat als Vorsitzenden 
des Kr A., in höherer Instanz von dem Regie- 
rungspräsidenten und dem Md JJ., für die Stadt- 
gemeinden von dem Regierungspräsidenten, in 
höherer Instanz von dem Oberpräsidenten und 
dem Md ., für den Stadtkreis Berlin von dem 
Oberpräsidenten und in höherer Instanz von 
dem MdJ. (36. § 154 Abs. 1). Die Aufsichts- 
behörde ist befugt, gegen den Standesbeamten 
Warnungen, Verweise und Geldstrafen zu ver- 
hängen. Letztere dürfen für jeden einzelnen 
Fall den Betrag von 100 .K nicht übersteigen. 
Der Landrat als Vorsitzender des Kr A. genießt 
bei den Geschäften der Standesumtsaufsicht die 
dem Landesfiskus nach § 8 Ziff. 1 PrGKG. 
zustehende Gebührenreiheit (K GJ. 39 B 17). 
Lehnt der Standesbeamte die Vornahme einer 
Amtshandlung ab, so kann er dazu aufs Antrag 
der Beteiligten durch das Amtsgericht, in dessen 
Bezirk er seinen Amtssitz hat (FGG. 8§ 69), 
angehalten werden. Das Verfahren und die Be- 
schwerdeführung regeln sich nach dem FG., 
insbesondere nach dessen §8 19, 27, 28, 70 und 
99 (PSt. § 11; vgl. auch Pr.)GG. Art. 7, 8). 
Über den Umfang der Nachprüfungspflicht des 
wegen Ablehnung einer Amtshandlung des 
Standesbeamten angerufenen Gerichts s. Ke. 
37 A 101. Dem Standesbeamten selbst steht 
gegen die Anweisung des Gerichts zur Vor- 
nahme einer von ihm abgelehnten Amtshandlung 
kein Beschwerderecht zu (KGG. J. 27 A 1). Über 
das Beschwerderecht der Aufsichtsbehörde für 
die Standesämter im Berichtigungsverfahren s. 
RGZ. 60, 196 und über das der Aufsichtsbehörde 
gegen die Anweisung an den Standesbeamten 
zur Vornahme einer Amtshandlung KGJ. 39 
III. Dem Ersuchen eines Standes- 
beamten sind andere Standesbeamte sowie 
Gemeinde= und Ortspolizeibehörden Folge zu 
leisten verpflichtet (BR Vorschr. vom 25. März 
1899 — RGl. 225 — § 26). Der Standes- 
beamte darf sein Amt in Angelegenheiten aus- 
üben, die seine Ehefrau oder Personen be- 
treffen, mit denen er verwandt oder verschwägert 
ist (§ 27 das.). Dagegen muß der Stellvertreter 
eintreten, wenn es sich um die Beurkundung 
einer eigenen Anzeige, die Entgegennahme einer 
eigenen Erklärung oder die Anordnung des 
eigenen Aufgebots des Standesbeamten handelt. 
  
  
[llande (Beurkundung 
Uber die Einsicht in die standesamtlichen Aktenmenstandes). 
Standesämter und Standesbeamte 
und die Erleilung von Abschriften daraus vgl. 
den Beschluß des K . vom 21. Okt. 1910 im 
Ml. 1910, 309. 
IV. Eine amtliche Handlung die eine 
bloß zum Standesbeamten bestimmte Person 
vor ihrer endgültigen Bestellung oder nach Ab- 
lauf der Zeit, für die sie zum Standesbeamten 
bestellt ist, vorgenommen hat, ist rechtsungültig, 
ausgenommen eine Eheschließung vor jemandem, 
der, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt 
eines solchen öffentlich ausübt, d. i. in einer jeder- 
mann wahrnehmbaren Weise und in der Art 
der von einem amtlich bestellten Standesbeamten. 
erfolgenden Amtsausübung, es sei denn, daß 
die Verlobten — nicht nur einer von ihnen — 
den Mangel der amtlichen Befugnis bei der 
Eheschließung kannten (BG#B. 8 1319); s. Ehe- 
erssordernisse J. 
. Wer der gesetzlichen Pflicht zur Anzeige 
ben einem Standesbeamten nicht nachkommt, 
macht sich strafbar (PSte. 3 68 Abs. 1 u. 2; 
vgl. hierzu die Vf. vom 22. Aug. 1903 — Ml. 
187). Die Standesbeamten sind außerdem be- 
fugt, die gesetzlich zu Anzeigen oder zu sonstigen 
Handlungen bei ihnen Verpflichteten durch 
Geldstrafen bis zu 15 K anzuhalten (PStG. 
§ 68 Abs. 3), jedoch ohne das Recht, die Strafen 
2 Haft umzuwandeln (Erl. vom 24. Okt. 1875 — 
MBl. 268 — und vom 31. Okt. 1877 — MBl. 
1878, 2), und ohne andere Zwangsmittel an- 
wenden zu dürfen, dies auch dann nicht, wenn 
sie zugleich Polizeibeamte sind. Sie selbst machen 
sich strafbar, wenn sie unter — auch nur fahr- 
lässiger — Außerachtlassung der im PStG. und 
im BG. gegebenen Vorschriften eine Ehe- 
schließung vollziehen (8 69 des Gesetzes; EGBe#B. 
Art. 46 Nr. IV). 
VI. Ist ein vor dem Standesamt Erschienener 
stumm oder sonst am Sprechen ver- 
hindert oder taub und eine schriftliche Ver- 
ständigung mit ihm nicht möglich, oder ist er 
der deutschen Sprache und der Standesbeamte 
der Sprache, in der sich der Erschienene erklärt, 
nicht mächtig, so soll ein Dolmetscher (s. dl) 
hinzugezogen werden; die näheren Bestim- 
mungen hierüber und über die Bestellung und 
Gebühren der Dolmetscher enthalten die Vorschr. 
vom 25. März 1899 §§ 10, 11 und der Ell., 
betr. die Einsetzung von Dolmetschern bei den 
Standesämtern, vom 30. Dez. 1874 (Ml. 1875, 
2), die Zirk. vom 8. Juni 1874 (YMl. 141) und 
23. Sept. 1874 (MBl. 195) und der Erl., betr. 
die Gebühren für einen zugezogenen Taub- 
stummenlehrer, vom 15. Dez. 1879 (Ml. 1880, 
26). 
VII. Über die Wahrnehmung der Verrichtung 
des Standesbeamten in bezug auf 
solche Militärpersonen, welche ihr 
Standquartier nicht innerhalb des Deutschen 
Reichs haben oder es nach eingetretener Mobil- 
machung verlassen haben, oder welche sich auf 
den in Dienst gestellten Schiffen oder anderen 
Fahrzeugen der Marine befinden, ist in den 
V. vom 4. Nov. 1875 (RGBl. 313), vom 20. Jan. 
1879 (RE Bl. 5) und vom 20. Febr. 1906 (RGBl. 
359) Bestimmung getroffen (PSt. 8 71). Vgl. 
auch Reichsangehörige im Aus- 
des Perso- 
Über die standesamtliche Be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.