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vom 1. Aug. 1909 (GS. 691) trifft bei Amts-
pflichtverletzungen von Standesbeamten die Ver—
antwortlichkeit den Staat, nicht den Kommunal-
verband; s. den Art. Haftung für Be-
amte. Vgl. auch die Vf. vom 11. Aug. 1910
(Ml. 217), betr. Hinweisung der Standesbe-
amten auf das vom Allgemeinen Deutschen
Sprachverein ausgestellte Verzeichnis der in
Deutschland gebräuchlichen Vornamen. Die
Kostenfreiheit der gerichtlichen Verhandlungen
in Personenstandssachen erstreckt sich nicht auf
das Verfahren in höherer Instanz ((KGJ. 39
B 18).
II. Die Aufsicht über die Amtsfüh-
rung der Standesbeamten wird von
der unteren Verwaltungsbehörde, in höherer
Instanz von der höheren Verwaltungsbehörde
geübt, in Preußen für die Landgemeinden und
Gutsbezirke von dem Landrat als Vorsitzenden
des Kr A., in höherer Instanz von dem Regie-
rungspräsidenten und dem Md JJ., für die Stadt-
gemeinden von dem Regierungspräsidenten, in
höherer Instanz von dem Oberpräsidenten und
dem Md ., für den Stadtkreis Berlin von dem
Oberpräsidenten und in höherer Instanz von
dem MdJ. (36. § 154 Abs. 1). Die Aufsichts-
behörde ist befugt, gegen den Standesbeamten
Warnungen, Verweise und Geldstrafen zu ver-
hängen. Letztere dürfen für jeden einzelnen
Fall den Betrag von 100 .K nicht übersteigen.
Der Landrat als Vorsitzender des Kr A. genießt
bei den Geschäften der Standesumtsaufsicht die
dem Landesfiskus nach § 8 Ziff. 1 PrGKG.
zustehende Gebührenreiheit (K GJ. 39 B 17).
Lehnt der Standesbeamte die Vornahme einer
Amtshandlung ab, so kann er dazu aufs Antrag
der Beteiligten durch das Amtsgericht, in dessen
Bezirk er seinen Amtssitz hat (FGG. 8§ 69),
angehalten werden. Das Verfahren und die Be-
schwerdeführung regeln sich nach dem FG.,
insbesondere nach dessen §8 19, 27, 28, 70 und
99 (PSt. § 11; vgl. auch Pr.)GG. Art. 7, 8).
Über den Umfang der Nachprüfungspflicht des
wegen Ablehnung einer Amtshandlung des
Standesbeamten angerufenen Gerichts s. Ke.
37 A 101. Dem Standesbeamten selbst steht
gegen die Anweisung des Gerichts zur Vor-
nahme einer von ihm abgelehnten Amtshandlung
kein Beschwerderecht zu (KGG. J. 27 A 1). Über
das Beschwerderecht der Aufsichtsbehörde für
die Standesämter im Berichtigungsverfahren s.
RGZ. 60, 196 und über das der Aufsichtsbehörde
gegen die Anweisung an den Standesbeamten
zur Vornahme einer Amtshandlung KGJ. 39
III. Dem Ersuchen eines Standes-
beamten sind andere Standesbeamte sowie
Gemeinde= und Ortspolizeibehörden Folge zu
leisten verpflichtet (BR Vorschr. vom 25. März
1899 — RGl. 225 — § 26). Der Standes-
beamte darf sein Amt in Angelegenheiten aus-
üben, die seine Ehefrau oder Personen be-
treffen, mit denen er verwandt oder verschwägert
ist (§ 27 das.). Dagegen muß der Stellvertreter
eintreten, wenn es sich um die Beurkundung
einer eigenen Anzeige, die Entgegennahme einer
eigenen Erklärung oder die Anordnung des
eigenen Aufgebots des Standesbeamten handelt.
[llande (Beurkundung
Uber die Einsicht in die standesamtlichen Aktenmenstandes).
Standesämter und Standesbeamte
und die Erleilung von Abschriften daraus vgl.
den Beschluß des K . vom 21. Okt. 1910 im
Ml. 1910, 309.
IV. Eine amtliche Handlung die eine
bloß zum Standesbeamten bestimmte Person
vor ihrer endgültigen Bestellung oder nach Ab-
lauf der Zeit, für die sie zum Standesbeamten
bestellt ist, vorgenommen hat, ist rechtsungültig,
ausgenommen eine Eheschließung vor jemandem,
der, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt
eines solchen öffentlich ausübt, d. i. in einer jeder-
mann wahrnehmbaren Weise und in der Art
der von einem amtlich bestellten Standesbeamten.
erfolgenden Amtsausübung, es sei denn, daß
die Verlobten — nicht nur einer von ihnen —
den Mangel der amtlichen Befugnis bei der
Eheschließung kannten (BG#B. 8 1319); s. Ehe-
erssordernisse J.
. Wer der gesetzlichen Pflicht zur Anzeige
ben einem Standesbeamten nicht nachkommt,
macht sich strafbar (PSte. 3 68 Abs. 1 u. 2;
vgl. hierzu die Vf. vom 22. Aug. 1903 — Ml.
187). Die Standesbeamten sind außerdem be-
fugt, die gesetzlich zu Anzeigen oder zu sonstigen
Handlungen bei ihnen Verpflichteten durch
Geldstrafen bis zu 15 K anzuhalten (PStG.
§ 68 Abs. 3), jedoch ohne das Recht, die Strafen
2 Haft umzuwandeln (Erl. vom 24. Okt. 1875 —
MBl. 268 — und vom 31. Okt. 1877 — MBl.
1878, 2), und ohne andere Zwangsmittel an-
wenden zu dürfen, dies auch dann nicht, wenn
sie zugleich Polizeibeamte sind. Sie selbst machen
sich strafbar, wenn sie unter — auch nur fahr-
lässiger — Außerachtlassung der im PStG. und
im BG. gegebenen Vorschriften eine Ehe-
schließung vollziehen (8 69 des Gesetzes; EGBe#B.
Art. 46 Nr. IV).
VI. Ist ein vor dem Standesamt Erschienener
stumm oder sonst am Sprechen ver-
hindert oder taub und eine schriftliche Ver-
ständigung mit ihm nicht möglich, oder ist er
der deutschen Sprache und der Standesbeamte
der Sprache, in der sich der Erschienene erklärt,
nicht mächtig, so soll ein Dolmetscher (s. dl)
hinzugezogen werden; die näheren Bestim-
mungen hierüber und über die Bestellung und
Gebühren der Dolmetscher enthalten die Vorschr.
vom 25. März 1899 §§ 10, 11 und der Ell.,
betr. die Einsetzung von Dolmetschern bei den
Standesämtern, vom 30. Dez. 1874 (Ml. 1875,
2), die Zirk. vom 8. Juni 1874 (YMl. 141) und
23. Sept. 1874 (MBl. 195) und der Erl., betr.
die Gebühren für einen zugezogenen Taub-
stummenlehrer, vom 15. Dez. 1879 (Ml. 1880,
26).
VII. Über die Wahrnehmung der Verrichtung
des Standesbeamten in bezug auf
solche Militärpersonen, welche ihr
Standquartier nicht innerhalb des Deutschen
Reichs haben oder es nach eingetretener Mobil-
machung verlassen haben, oder welche sich auf
den in Dienst gestellten Schiffen oder anderen
Fahrzeugen der Marine befinden, ist in den
V. vom 4. Nov. 1875 (RGBl. 313), vom 20. Jan.
1879 (RE Bl. 5) und vom 20. Febr. 1906 (RGBl.
359) Bestimmung getroffen (PSt. 8 71). Vgl.
auch Reichsangehörige im Aus-
des Perso-
Über die standesamtliche Be-