— 30 —
gegebenenfalls auch unangebracht ist, liegt klar auf der
Hand, berechtigt aber noch keineswegs die Gegner einer
Selbstentscheidung des Bundesrats dazu, ihm dieses Recht
zu entziehen. In der Hauptsache ist es v. Seydel. der
dem Bundesrat das Recht des eigenen Spruches streitig
machen will. Wenn er auch zunächst feststellt, daß die
Reichsverfassung, besonders der Wortlaut der Reichsver-
fassung, keine Handhabe dazu bietet, dem Bundesrat die
Selbstentscheidung zu verwehren, so will er dieses doch aus
den Worten Savignys und des hessischen und des ham-
burgischen Bevollmächtigten entnehmen.
Der Burdeskommissar v. Savigny äußerte sich in der
Sitzung des verfassungsberatenden Reichstages am 9. April
1867 über das Wort „erledigt“ wie folgt!): „Unter deın
Worte ‚erledigt‘ ist nur im allgemeinen angedeutet. worden,
daß der Bundesrat seinerseits bestrebt sein wird, falls es
ihm nicht gelingt, innerhalb seines Schoßes — ich möchte
sagen im Familienrate — eine solche Angelegenheit zu be-
friedigender Lösung zu bringen, diejenigen Rechtswege
selbst zu bezeichnen, auf denen die Sache zum Austrag
kommen kann. Vorzugsweise ist dabei auch der Fall einer
Verweisung an eine Austrägalinstanz vorgesehen. Das ver-
stehen wir unter dem Worte: erledigt.“
Diesen Worten v. Savignys legt nun v. Seydel?)
den Wert einer authentischen Interpretation bei, indem er
sagt: „Da diese Erklärungen im Reichstage nirgends Wider-
spruch erfahren haben, können sie den Wert. einer authen-
tischen Interpretation beanspruchen.“ Diese Ansicht er-
scheint mir nicht haltbar, denn die unwidersprochen ge-
bliebene Äußerung v. Savignys hat nicht den Wert eines
Gesetzes, sondern gehört nur zu den Materialien, durch die
keine authentische Interpretation erfolgen kann.
1) Bezold, Materialien S. 584.
2) v. Seydel, Bundesrat S. 17.