Full text: Das Gesetz über den Belagerungszustand nebst Abänderungsgesetz unter Berücksichtigung des Bayerischen Gesetzes über den Kriegszustand. (122)

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der Tragweite ihrer Anwendung sind in der Praxis für die 
heutigen Verhältnisse Zweifel entstanden. Eine wörtliche An- 
wendung läßt die Bestimmung nur für den Fall eines räumlich 
beschränkten Kriegszustandes zu; in diesem Falle kann praktisch 
eine Erweiterung der gerichtsherrlichen Befugnisse gegenüber 
dem Normalzustand eintreten, wenn der Befehlshaber des Ortes 
oder Distriktes die höhere Gerichtsbarkeit noch nicht besaß. Anders 
aber, wenn, wie heute, das ganze Reichsgebiet in Kriegszustand 
erklärt wird; dann ist die Bestimmung überhaupt nicht an- 
wendbar, weil es dann an einem Befehlshaber mangelt, der 
im Sinne des §5 27 die höhere Gerichtsbarkeit auszuüben hat 
(Dietz Taschenbuch Bd. II S.119). In der Tat müßte in diesem 
Falle bei wörtlicher Auslegung der Kaiser als Oberbefehlshaber 
als Inhaber der höheren Gerichtsbarkeit angesehen werden; 
denn er ist der Befehlshaber des in Kriegszustand erklärten 
Gebietes. Eine andere Auslegung scheitert an der Frage, 
welche Distrikte dann auszuwählen sind. Ist das ganze Reichs- 
gebiet in Kriegszustand erklärt, so bleibt es also hinsichtlich 
der Ausübung der Gerichtsbarkeit bei den gewöhnlichen Be- 
stimmungen. 
Ist ein bestimmter Distrikt in Kriegszustand erklärt, so ist 
Befehlshaber im Sinne des §# 27 nur der oberste Befehlshaber 
des ganzen Distrikts, nicht aber jeder Ortsbefehlshaber. Die 
Gerichtsbarkeit des § 27 ist in diesem Falle nicht an die in § 26 
erwähnten Beschränkungen gebunden und erstreckt sich auf alle 
Militärpersonen, auch die anderer Kontingente (Koppmann,, 
M. St. G. O. 1901 Note 4 und 5 zu § 27). 
II. Die Bestätigung der Urteile, von denen Absatz 2 spricht, 
erfolgt ebenfalls nach den Bestimmungen der M. St. G. O., 
und zwar nach den für den Frieden geltenden Bestimmungen, 
da das vereinfachte Feldverfahren nach § 5 E.G.M. St. G. O. 
bei Erklärung des Kriegszustandes nicht eintritt, es sei denn, 
daß sich mobile Heeresteile im Inland befinden over ein vom 
Feinde bedrohter fester Platz im Inlande liegt. Diese Voraus- 
setzungen sind aber unabhängig vom Kriegszustand.
	        
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