Full text: Das Gesetz über den Belagerungszustand nebst Abänderungsgesetz unter Berücksichtigung des Bayerischen Gesetzes über den Kriegszustand. (122)

224 89 und Abünderungsgesetz vom 11. Dezember 10915. 
In der Rechtsprechung hat außer einigen unteren Gerichten 
besonders das Bayer. Ob. L. G. sich auf eine i dem R. G. ent- 
gegengesetzten Standpunkt gestellt: Das Verbot des M. B. sei 
nicht eine verwaltungsrechtliche Norm, sondern bilde als Straf- 
norm mit der in Art. 4 Ziff. 2 K. Z.G. enthaltenen Strafsatzung 
zusammen das Strafgesetz: so insbesondere die Urteile vom 
25. und 30. 3. 1915, vom 29. 4. 1915 (D. Str. S. 1915 S. 264) 
und vom 23.9. 1915 (J.W. 1915 S. 1270, Leipz. Z. 1915 S. 14595); 
ähnlich auch in den Urteilen vom 28. 1. 1915 (D.J.Z. 1915 S. 292), 
vom 27. 5., 1. 6. und 8. 6. 1915 (D.J.Z. 1915 S. 790, Leipz. Z. 
1915 S. 91828), vom 28. 9. 1915 (Leipz. Z. 1915 S. 1532, Recht 
1915 S. 622 Nr. 1201). Es läßt daher Unkenntnis des Berbots 
nicht als Entschuldigungsgrund gelten. Von diesem Prinzip 
hat es aber bereits im Urteil vom 29.44. 1915 und sodann in den 
Urteilen vom 27. 5., 1. 6. und 8. 6. 1915 eine allerdings stark 
verklausulierte Ausnahme gemacht: wenn es dem Täter ohne 
das geringste Verschulden, trotz aller Bemühungen, Sorgfalt 
und Aufmerksamkeit nicht möglich gewesen sei, von der An- 
ordnung Kenntnis zu nehmen, solle ihn die Unkenntnis ent- 
schuldigen. Diese Ausnahme wird im urteil vom 29. 4. 1915 
und 11. 5. 1915 (ogl. D. Str. Z. 1915 S. 306) damit begründet, 
daß es sich um außergewöhnliche Maßregeln handele, die rasch 
erlassen und in Kraft gesetzt würden, und daß die Art der Be- 
kanntmachung der Verbote keine einheitliche sei. An dieser 
Ausnahme hat das Bayer. Ob. L.G. auch in den Urteilen vom 
14. 10. und 4. 11. 1915 festgehalten (Leipz. B. 1916 S. 70, 
IJ.W. 1916 S. 439). 
Diese Durchbrechung des Prinzips zeigt deutlich, daß die 
Ansicht des Ob. L. G. für die Praxis nicht durchführbar ist. Dem 
Bedürfnisse dieser entspricht lediglich die Ansicht des Reichs- 
gerichts, die sich auch theoretisch durchaus halten läßt. Die An- 
ordnung des M.B. ist, wenn man mit dem Reichsgericht das 
Verordnungsrecht als ein selbständiges Recht ansieht, zweifellos 
zunächst eine völlig außerhalb des Strafgesetzes stehende Vor- 
schrift. Für das Strafrecht erhält sie eine Beveutung erst durch
	        
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