Buchstabe b: Der strafrechtliche Tatbestand. 225
den # b. Durch diesen Zusammenhang wird aber ihr ur-
sprünglicher Charakter nicht berührt.
Aus der vom Ob. L.G. zugelassenen Ausnahme ergibt sich
aber auch gleichzeitig, daß tatsächlich der Unterschied zwischen
den Ansichten der beiden höchsten Gerichte praktisch kein allzu
großer ist. Denn auch das R. G. geht in allen seinen Entscheidungen
davon aus, daß gemäß #59 Abs. 2 St.G. B. fahrlässige Nicht-
kenntnis des Verbots strafbar ist. Es kommt nun darauf an,
wie weit man die Pflicht des einzelnen ausdehnt, sich von den
Anordnungen Kenntnis zu verschaffen. Das Bayer. Ob. L. G.
hat in den genannten Entscheidungen hierzu folgendes aus-
geführt: es sei Pflicht jedes Staatsbürgers, sich um die Kenntnis
der auf den Krieg sich beziehenden Maßnahmen zu bekümmern
und sie genau zu befolgen; diese Pflicht erhöhe sich, wenn der
Staatsbürger kraft seines Berufes oder Gewerbes mit der Möglich=
keit rechnen müsse, daß seine wirtschaftliche oder gewerbliche
Betätigung von militärischen oder sonstigen amtlichen Maßnahmen
getroffen werde; zur Zurückweisung des Einwandes der Un-
kenntnis genüge daher schon ein geringes Verschulden (so ins-
besondere Urteile vom 27. 5., 1. 6C. und 8. 6. 1915, D. J.. 1915
S. 790). Es verlangt ferner, daß jeder Staatsbürger die Zeitung
lese und sich, wenn er Bedenken oder Zweifel über das Bestehen
einer Verordnung habe, bei Behörden oder sonstigen Auskunfts-
stellen erkundigen müsse (vol. D. Str. Z. 1915 S. 306). Diesen
Ausführungen ist das R.G. nicht in vollem Umfange gefolgt;
es hat es abgelehnt, den strengsten Maßstab anzulegen. Die
Umstände des einzelnen Falles, die Lebensstellung und der
Bildungsgrad des Täters und schließlich auch die Art der Ver-
ordnung selbst müssen berücksichtigt werden: so insbesondere
R. G. I vom 13. 1. 1916 (Leipz. Z. 1916 S. 459/), II vom 21.ö 1.
1916 (Recht 1916 S. 135 Nr. 228), I vom 17. 2. 1916 (Recht
1916 S. 194 Nr. 388). Das R. G. legt daher Händlern und
sonstigen Gewerbetreibenden die Verpflichtung auf, sich über
alle ihr Gewerbe betreffenden Anordnungen zu vergewissern,
bei Zwelfeln haben sie sich bei den zuständigen Behörden zu er-
Pürschel, Belagerungsgesetz. 15